6. Der preußische Grenadier - Gleims alter ego
Neben der Rolle ‚Vater Gleim‘ prägte die Grenadier-Rolle Gleims Image vor allem in den späten Jahrzehnten seines Lebens.
6. Der preußische Grenadier - Gleims alter ego
Die genial erfundene Rolle des preußischen Grenadiers, den Gleim als Verfasser seiner Lieder zu den Schlachten und Feldzügen des Siebenjährigen Kriegs ausgab, suggeriert einen Autor, der selbst am Krieg teilgenommen und damit militärische Verdienste erworben hat, durch welche seine Dichtungen beglaubigt sind. Bis in die Gegenwart wirkt sie derart überzeugend, dass eine Studie mit dem polemischen Titel "Schlachtengesänge vom Kanapee" Gleim hinsichtlich der Verfasserfiktion Irreführung vorwerfen und das Fehlen an Kriegserfahrungen als Mangel an Authentizität werten zu können glaubte. Selbstverständlich war Gleim nicht in Schlachten verwickelt, so wenig wie ein anderer der zahlreichen patriotischen Dichter des Siebenjährigen Krieges. Davon abgesehen ist aber die Vorstellung unangemessen, der Dichter könne nur aus eigenem Erleben dichten. Vielmehr handelte es sich bei dem Grenadier zunächst um eine literarische Rolle, wie sie für die Rokokodichtung typisch war, wie Gleim und andere Autoren seines literarischen Netzwerks auf andere Weise auch Schäfer- oder Bardennamen führten. "Seine Trinklieder waren eben so fern vom Durst nach Wein, als seine Kriegeslieder vom Durst nach Krieg und Blut", stellte Wilhelm Körte in seiner Biografie Gleims klar und warnte so einmal mehr davor, die Person des Autors und das lyrische Ich der Rokokolyrik gleichzusetzen. Allerding sollte die literarische Rolle des Grenadiers mehr und mehr zu Gleims alter ego werden.
Neben der Rolle ‚Vater Gleim‘ prägte die Grenadier-Rolle Gleims Image vor allem in den späten Jahrzehnten seines Lebens. Der Dichter war gewohnt, von sich selbst als von dem ‚alten Grenadier‘ oder dem ‚alten Soldaten‘ zu sprechen. Er stilisiert sich zu einem Kriegsveteran - einmal ausgehend von seiner Identität als preußischer Grenadier, zum zweiten aufgrund der Tatsache, dass auch seine Dichtungen als tätige Kampfhandlung, als Anstachelung des Kampfgeistes angesehen wurden.
Durch diese, wenngleich nur literarische, Mitwirkung an ruhmreichen Schlachten und als einer der letzten Zeugen einer großen Vergangenheit strahlte Gleim im Alter eine Würde aus, durch die er sich berufen sah, seine Stimme in Angelegenheiten des Vaterlandes zu erheben und sich auch an die Herrschenden zu wenden.
Die genial erfundene Rolle des preußischen Grenadiers, den Gleim als Verfasser seiner Lieder zu den Schlachten und Feldzügen des Siebenjährigen Kriegs ausgab, suggeriert einen Autor, der selbst am Krieg teilgenommen und damit militärische Verdienste erworben hat, durch welche seine Dichtungen beglaubigt sind. Bis in die Gegenwart wirkt sie derart überzeugend, dass eine Studie mit dem polemischen Titel "Schlachtengesänge vom Kanapee" Gleim hinsichtlich der Verfasserfiktion Irreführung vorwerfen und das Fehlen an Kriegserfahrungen als Mangel an Authentizität werten zu können glaubte. Selbstverständlich war Gleim nicht in Schlachten verwickelt, so wenig wie ein anderer der zahlreichen patriotischen Dichter des Siebenjährigen Krieges. Davon abgesehen ist aber die Vorstellung unangemessen, der Dichter könne nur aus eigenem Erleben dichten. Vielmehr handelte es sich bei dem Grenadier zunächst um eine literarische Rolle, wie sie für die Rokokodichtung typisch war, wie Gleim und andere Autoren seines literarischen Netzwerks auf andere Weise auch Schäfer- oder Bardennamen führten. "Seine Trinklieder waren eben so fern vom Durst nach Wein, als seine Kriegeslieder vom Durst nach Krieg und Blut", stellte Wilhelm Körte in seiner Biografie Gleims klar und warnte so einmal mehr davor, die Person des Autors und das lyrische Ich der Rokokolyrik gleichzusetzen. Allerding sollte die literarische Rolle des Grenadiers mehr und mehr zu Gleims alter ego werden.
Neben der Rolle ‚Vater Gleim‘ prägte die Grenadier-Rolle Gleims Image vor allem in den späten Jahrzehnten seines Lebens. Der Dichter war gewohnt, von sich selbst als von dem ‚alten Grenadier‘ oder dem ‚alten Soldaten‘ zu sprechen. Er stilisiert sich zu einem Kriegsveteran - einmal ausgehend von seiner Identität als preußischer Grenadier, zum zweiten aufgrund der Tatsache, dass auch seine Dichtungen als tätige Kampfhandlung, als Anstachelung des Kampfgeistes angesehen wurden.
Durch diese, wenngleich nur literarische, Mitwirkung an ruhmreichen Schlachten und als einer der letzten Zeugen einer großen Vergangenheit strahlte Gleim im Alter eine Würde aus, durch die er sich berufen sah, seine Stimme in Angelegenheiten des Vaterlandes zu erheben und sich auch an die Herrschenden zu wenden.
2012-01-10