Pfarrer Karl Groß
Karl Groß, geboren am 3. Mai 1903, entstammt einem berliner Lehrerhaushalt. Es ist eine Familiengeschichte des sozialen Aufstiegs: der Großvater ist noch Dorfschullehrer gewesen, der Vater hat es zum Konrektor einer Realschule gebracht und kann seinen Söhnen ein Studium ermöglichen. Karl Groß besucht bis zum Abitur 1921 das hoch angesehene Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und beginnt im Herbst desselben Jahres sein Theologiestudium an der Berliner Universität, wo er nach Semestern in Tübingen (1925) und am Predigerseminar in Wittenberg (1927/28) im Juni 1930 seinen Abschluss macht. Im Dezember dieses Jahres tritt er seine erste Stelle als Hilfsprediger im Dorf Blüthen (Westprignitz) an, wo er bis zu seinem Lebensende bleiben wird. Die Übernahme des Pfarramtes erfolgte im Oktober 1932. Die Verbesserung seiner Einkommensverhältnisse erlaubt ihm nun, zwei lebenslangen Passionen nachzugehen: dem Reisen und dem Fotografieren. In Bildern festgehalten sind unter anderem Reisen nach Italien und durch den Balkan, nach Skandinavien und in den Kaukasus. Vor allem aber ausgedehnte Bergtouren in verschiedenen Regionen der Alpen. Nach seinem Amtsantritt in Blüthen teilt er das Pfarrhaus mit seinen Eltern. Erst nach ihrem Tod schließt er 1960 die Ehe mit der Lehrerin und Katechetin Gerlinde Busch. Im Juni 1973 geht er offiziell in den Ruhestand, nimmt sein Amt aber wie viele Pastoren noch rund zehn weitere Jahre wahr. Karl Groß stirbt am 23. Februar 1994, mit 91 Jahren in der Westprignitz.
Karl Groß hatte sich bewusst für das Landpfarrerleben entschieden, da er sich davon genügend Zeit für seine vielfältigen wissenschaftlichen Interessen versprach: theologische, naturwissenschaftliche und historische. Im Grunde verkörperte er damit einen mittlerweile anachronistischen, aber für die protestantische Geistlichkeit kulturgeschichtlich bedeutsamen Typus. Für politische Fragen scheint er sich nie interessiert zu haben, er bezog auch im „Kirchenkampf“ während des Nationalsozialismus allem Anschein nach keine Position.
Bis in die erste Nachkriegszeit verwendete Karl Groß eine Glasplattenkamera, auf die er erst verzichtete, als er keine Firma für Reparaturen fand. Fortan fotografierte er mit Kleinbildkameras, vor allem auf Dia-Film. Nach dem Umkopieren der Glasplattennegative auf Planfilm wurde zu seinen Lebzeiten ein Teil des ursprünglichen Bestandes vernichtet. Viele seiner Reisebilder bilden Sehenswürdigkeiten aus noch heute beliebten Blickwinkeln ab. Sie sind von hohem dokumentarischem Wert, da sie nicht mehr bestehende Zustände zeigen. Die fotografische Sammlung Karl Groß ist ein Bestand des Pfarrhausmuseums Blüthen.
Bodo-Michael Baumunk
Das nebenstehende Bild von 1956 zeigt Pfarrer Karl Groß in seiner Motorradkluft.
2019-05-03