Öffentlichkeit?
Nur zum kleinsten Teil sind Frauenporträts in der Druckgrafik vervielfältigt worden, da das weibliche Geschlecht seltener in der Öffentlichkeit stand und demgemäß das öffentliche Interesse an einem Bildnis nicht gegeben war. Wir zeigen als Ausnahme zwei Schauspielerinnenporträts. Sie veranschaulichen zum einen das neue Prestige dieser Berufsgruppe und das öffentliche Interesse an der deutschen Bühne und ihren Akteuren. Zum anderen machen sie auf die Abwesenheit von Geschlechtsgenossinnen in der Druckgrafik aufmerksam.
Ebenso sollen die Aristokraten-Porträts - Bildnisse von Herrschern Preußens und Braunschweigs - auf die Seltenheit von Adelsbildnissen im Druck hinweisen. Graff war der Porträtist des geistigen Nord- und Mitteldeutschland seiner Zeit, doch er war ebenso der bevorzugte Bildnismaler der Aristokratie und der Höfe. Keiner vermochte wie Graff den Menschen als emotionales und intellektuelles Wesen darzustellen, doch beherrschte der Meister ebenso die modernen englischen Porträttypen sowie die herkömmlichen spätbarocken höfischen Formeln, in denen er gleichwohl die Physiognomie betonte.
Im Kupferstich wurden - anders als im Gemälde - lediglich die populärsten Angehörigen der Herrscherhäuser und des Adels dargestellt. Die prominentesten unter ihnen, so wie etwa Karl Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig, wurden unübersehbar häufig gestochen werden. Karl Wilhelm Ferdinand war ein Neffe Friedrichs II. und einer seiner verdientesten Feldherren. Nach dem Tod des Preußenkönigs war der Braunschweiger Herzog die einflussreichste Figur im preußischen Militär.
In höherem Maß als die Porträtmalerei, die in der Regel Auftragskunst war, wandte sich die Porträtgrafik an das Publikum und zielte auf Absatz, ob im Selbstverlag des Künstlers oder im Auftrag eines Verlegers entstanden, ob als Einzelblatt oder als Frontispiz bzw. Titelkupfer eines Buches oder einer Zeitschrift. So gibt die Druckgrafik nur einen Ausschnitt aus Graffs Werk wieder: die Protagonisten der Literarischen Öffentlichkeit.
2016-10-11