In der mittelalterlichen Kunst bot die Gestaltung des unbekleideten ersten Menschenpaares eine der wenigen Gelegenheiten, den nackten menschlichen Körper darzustellen. Die beginnende Renaissance nutzte das Thema verstärkt zu seiner künstlerischen Meisterung. Conrat Meit schuf mit seinen Aktfiguren eine der frühesten isolierten Darstellungen der Stammeltern in der deutschen Plastik. Die beiden schlanken Einzelfiguren erheben sich auf abgerundeten Plinthen und können in leicht veränderter Anordnung aufgestellt werden. Durch Gestik und Blickrichtung beziehen sie sich aufeinander. Die Hauptansicht, bei der Mann und Frau sich mehr oder weniger frontal präsentieren, aber einander zugewandt sind, lässt die Vorbildwirkung von Dürers Meisterstich Adam und Eva von 1504 erkennen. Die vortrefflich geschnitzten Buchsbaumstatuetten entstanden nach neuesten Forschungen noch in Meits Wittenberger Zeit um 1510, als er am Hofe Friedrichs des Weisen in der Werkstatt Cranachs tätig war. Hier empfing er auch Anregungen von dessen Holzschnitt Venus und Amor aus dem Jahre 1509 und den Frauenköpfen aus der Mitteltafel des etwa zeitgleichen Dessauer Fürstenaltars für den Kopf der Eva. Im Jahre 1817 wurden unter Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822, reg. ab 1804) die beiden bezaubernden Kabinettstücke aus der Frauenholzischen Kunsthandlung in Nürnberg für die Gothaer Kunstkammer erworben. Sie sind ausgesprochene Musterbeispiele deutscher Renaissance-Kleinplastik und stehen am Beginn der überlieferten Werkreihe von Conrat Meit, der heute als bedeutendster Vertreter der Renaissance-Skulptur im Norden gilt. [Allmuth Schuttwolf]
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