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Städtische Museen Jena, Kunstsammlung Klassische Moderne [SMJ 23449]
Frühlingserwachen (Der Frühling)  (Städtische Museen Jena, Kunstsammlung CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Städtische Museen Jena, Kunstsammlung (CC BY-NC-SA)
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Ferdinand Hodler: Frühlingserwachen (Der Frühling). 1911

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Beschreibung

"Die Form eines jeden Gegenstandes, wie er sich uns darstellt, besteht aus einem äußeren Umriß und aus inneren Formen. ... Der Umriß gibt nicht nur die Ausdehnung und die Hebungen und Senkungen eines Körpers wieder, er hat auch noch einen schmückenden, architektonischen Charakter, dadurch, daß er einen Körper von einem benachbarten klar abhebt." (F. Hodler)
Dargestellt ist ein halb knieendes, halb hockendes Mädchen mit geschlossenen Augen in einer Bewegung, die nach rechts-oben gedacht werden kann. Ihre nach oben weisenden Hände unterstützen diese Aufwärtsbewegung. Das Mädchen hat lange, dunkle Haare, zu zwei Zöpfen gefaßt und ist mit einem ärmelfreien, hellen, gefalteten Gewand bekleidet. Sie umgibt eine Wiesenlandschaft mit angedeuteten (Löwenzahn-)Blüten, mit Ausnahme eines freien Feldes um den Kopf herum. Damit wird das Profil des Gesichts noch einmal herausgehoben. Die Gebärde des Mädchens ist eine verzückt-empfindende. Die Horizontlinie ist als schwacher Bogen ausgeführt. Paul Portmann bezeichnet in seiner Untersuchung aus dem Jahr 1956 die Bewegung als "Wanken", das aus der inneren Unentschlossenheit der erwachenden Liebesleidenschaft des Mädchens herrührt. Gleichzeitig weist er einen Dreierrhythmus in der Bewegung nach, aus der Vor- und Rückbewegung in der Waagerechten sowie der Auf-Abbewegung, "dem Emporstraffen des Körpers, das seinen Gegenzug in dessen Zurücksinken, diesem Ausdruck scheuen Zurückhaltens findet", entsprechend den drei Stadien eines Pendels. Er lobt die streng durchkomponierte Darstellung. C. A. Loosli schreibt von einem "der ausdrucksvollsten Liniengebilde, das Hodler je schuf" (1923). Ferdinand Hodlers Allegorie des Frühlings ist ein eigenständiges Werk. Es entstammt nicht einem Zyklus (der Jahreszeiten), beliebten Darstellungen auch in der Zeit des Art Nouveau an der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert. Vier Gemälde, die in den Jahren 1901 bis 1912 in ähnlichen Fassungen entstanden sind, haben den ‚erwachenden’ Frühling zum Thema. "Der Frühling I" befindet sich heute im Museum Folkwang, Essen. Zwei Figuren, ein Mädchen in Profilansicht und ein frontal dem Betrachter zugewandter Jüngling - Hodlers vierzehnjähriger Sohn Hector - bilden hier als P a a r die Personifikation erwachender Gefühle im Frühling des Lebens. Ideenskizzen und Zeichnungen der beiden Figuren haben sich im Nachlaß des Künstlers erhalten. Sie erhellen die Entwicklungsgeschichte des Werkes. Das hier gezeigte graphische Blatt ist vermutlich im Zusammenhang mit den Vorarbeiten zu den Gemälden entstanden und zeigt uns nur das Mädchen als Teil der Gesamtdarstellung. Ferdinand Hodler wird am 14. März 1853 in Bern als Kind eines Schreiners geboren. Der frühe Tod der Eltern und Geschwister, ein Leben in Armut prägen in Kindheit und Jugend. Eine Ausbildung erhält Hodler 1878/70 zunächst bei einem Ansichtenmaler, ehe er zur Ecole des Beaux-Arts nach Genf wechselt. Ein erstes eigenes Atelier bezieht der Maler 1881 in Genf. Die Landschaften und Porträts dieser Jahre sind noch dem Naturalismus verpflichtet. Im Jahr 1890 beginnt eine Entwicklung seiner Malerei, die ihn schnell berühmt werden läßt. Das Gemälde "Die Nacht" steht am Anfang der ‚Gedankenmalerei‘. Sie wird bald durch ein rhythmisches Prinzip der Wiederholung gleicher Formen und Farben ausgebaut. Hodler nennt es ‚Parallelismus‘. Eine Reise nach Paris im Jahr 1891 unterstützt diesen Prozeß neuer, eigener Bildfindungen. Auf der Sezessionsausstellung in Wien 1901/02 wird die erste Fassung des "Frühling" ausgestellt und verhilft dem Maler zum Durchbruch. Bereits 1899 hatten die Schweizer Hodler und Böcklin an der Eröffnungsausstellung der Berliner Sezession eigene Gemälde präsentieren können. Dem 1903 im Weimar unter Mitwirkung von Harry Graf Kessler gegründeten "Deutschen Künstlerbund" gehört Hodler seit 1904 an. In Weimar ist der Künstler dann auch mit den Repräsentanten der "Gesellschaft der Kunstfreunde von Weimar und Jena" zusammengetroffen. Die Gesellschaft plant seit 1906 für das neue Universitätsgebäude in Jena eine Darstellung des "Auszugs deutscher Studenten in den Freiheitskrieg 1813" als Geschenk ehemaliger Studenten zu überreichen. Man wirbt um Hodler als Ausführenden, der Künstler sagt zu. 1909 wird das später heftig umstrittene Gemälde der Universität übergeben. Ferdinand Hodler ist am 19. Mai 1918 in Genf gestorben. Im Zusammenhang mit den Arbeitsaufenthalten Hodlers in Jena gelangte die Lithographie wahrscheinlich nach Jena sowie zwischen 1932 - 1935 in den Besitz des Jenaer Kunstvereins, dessen Sammlungsbestand später in den Fundus des Städtischen Museums Jena überführt wird. [Dirk Hoffmann]
Sign. u. re. "Ferd. Hodler" und u. re. im Stein: "F. Hodler", bez. u. re. 22/50; Provenienz: Kunstverein Jena, Sammlung moderner Kunst, Nr. 405.
"Diese weltanschaulich gemeinten Kompositionen, die von starken Stimmungen getragen werden, wurden allgemein mit tiefer Bewegung und mit Begeisterung aufgenommen. Das waren die sehnsüchtig erwarteten Monumente einer neuen, zeitgemäßen Kunst. Gerade das, was uns seither fremd geworden ist und uns viele Arbeiten Hodlers ferngerückt hat, gab zur Zeit der Entstehung Anlaß zu besonderer Hochstimmung." (W. Hugelshofer, 1942)

Material/Technik

Papier, Lithographie

Maße

67,8 x 43,6 cm, Blatt: 83,1 x 58,5 cm

Literatur

  • Baumgartner, Marcel (1998): Ferdinand Hodler: Sammlung Max Schmidheiny. Zürich
  • Brüschweiler, Jura [Bildred.] (1983): Ferdinand Hodler. Bern [u. a.]
  • Bätschmann, Oskar (1999): Ferdinand Hodler, die Zeichnungen im Kunstmuseum Bern. Bern
  • Hugelshofer, Walter (1952): Ferdinand Hodler: eine Monographie. Zürich
  • Loosli, C. A. (1923): Ferdinand Hodler: Leben, Werk und Nachlass, in vier Bänden; Bd. 3: Das Werk Ferdinand Hodler&rsquo;s von 1890 bis 1918 (Fortsetzung) . Bern
  • Lüttichau, Mario-Andreas von (2005): Ferdinand Hodler &quot;Der Frühling&quot;. Essen
  • Mühlestein, Hans und Schmidt, Georg (1942): Ferdinand Hodler: 1853 - 1918; sein Leben und sein Werk. Erlenbach-Zürich
  • Müller, Werner Y. (1941): Die Kunst Ferdinand Hodlers: Gesamtdarstellung in 2 Bdn., Bd. 2. Zürich
  • Piltz, Georg (1968): Deutsche Graphik. Leipzig
  • Schmid, Maria [u. a.] (2008): Rausch und Ernüchterung: die Bildersammlung des Jenaer Kunstvereins - Schicksal einer Sammlung der Avantgarde im 20. Jahrhundert. Jena
  • Wahl, Volker (1988): Jena als Kunststadt: Begegnungen mit der modernen Kunst in der thüringischen Universitätsstadt zwischen 1900 und 1933. Jena
  • Waldkirch, Bernhard von (1992): Ferdinand Hodler: Zeichnungen der Reifezeit 1900 - 1918: aus der Graphischen Sammlung des Kunsthauses Zürich, T. 2. Zürich
Städtische Museen Jena, Kunstsammlung

Objekt aus: Städtische Museen Jena, Kunstsammlung

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