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Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft Astronomische Sammlung am Astrophysikalischen Institut und Univ.-Sternwarte [AST 1878/1]
Spiegelprismenkreis No. 1478 (Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft / Reinhard E. Schielicke (CC BY-NC-SA)
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Spiegelprismenkreis No. 1478

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Beschreibung

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es immer wieder Gerüchte in Jena, die die baldige Schließung der Universität betrafen. Die vier Unterhalterstaaten der »Ernestinischen Gesamtuniversität«, das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach und die Herzogtümer Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg und Sachsen-Coburg und Gotha waren in Geldnot und konnten wenig für die Unterstützung der Hochschule tun. Zudem waren die Studentenzahlen seit dem ersten Höhepunkt in ihrer Entwicklung in der Weigel-Zeit von 1650 bis 1700 von durchschnittlich 1500 schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf etwa 500 zurückgegangen. Auch die Großherzogliche Sternwarte in Jena sollte geschlossen werden, nachdem ihr langjähriger Direktor Heinrich Ludwig Friedrich Schrön (1799-1875) gestorben war. Er hatte sich vor allem der Meteorologie gewidmet, und so konnte die Sternwarte kaum einem zu berufenden Astronomen zugemutet werden. Im Jahr 1875 wandte sich der Kurator der Universität an Ernst Abbe (1840-1905), der nach seiner Habilitation 1863 als Privatdozent für Mathematik und Physik für die Jenaer Universität wirkte, und bat ihn um ein Gutachten über den Weiterbestand der Astronomie. Abbe hatte sich während seiner Studienzeit mit Astronomie beschäftigt, war kurzzeitig Assistent an der Göttinger Sternwarte und hatte während seiner Tätigkeit in Frankfurt am Main astronomische Messungen vorgenommen und Vorträge gehalten. Er vertrat dem Kurator gegenüber die Meinung, daß Astronomie in Jena als selbständige Wissenschaft nicht betrieben werden sollte, daß sie aber um so wichtiger für die anderen naturwissenschaftlichen und mathematischen Studiengänge sei; ja, er meinte, die Astronomie wäre »geradezu eine Schule der exakten Beobachtungskunst«. In diesem Sinne übernahm er selbst das Direktorat, zog mit seiner Familie in das Sternwartengebäude ein - das vormalige Schillersche Gartenhaus mit dem Goetheschen Observatoriumsanbau -, das er zunächst instand setzen ließ. Schließlich sicherte er durch die Einrichtung der Carl-Zeiss-Stiftung und die Förderung zunächst der naturwissenschaftlichen Institutionen, dann der gesamten Universität deren Weiterbestand, und die Studentenzahlen stiegen um 1910 wieder auf die der Weigel-Ära 250 Jahre zuvor. Die Mathematikvorlesungen hatte Abbe schon 1875 Gottlob Frege (1845-1925) überlassen (übrigens einem der zwei Hörer bei einer seiner ersten Vorlesungen 1863). Nach seiner Ernennung zum ordentlichen Honorarprofessor im Jahre 1878 hielt er Kollegs über "Geographische Ortsbestimmung" und "Astronomische Instrumente" sowie ein "Astronomisches Praktikum", den Intentionen in seinem Gutachten folgend, die Astronomie sei als Hilfswissenschaft für Mathematik und Physik unverzichtbar. Zur Durchführung von praktischen Übungen in astronomischen und geodätischen Messungen für Mathematik-, Physik-, Geographie- und Landwirtschaftsstudenten wurden sechs Spiegelprismenkreise, zehn Universalinstrumente beziehungsweise Theodoliten, ein Pendelquadrant, ein Kometensucher sowie Nivellierinstrumente, Normalmeter und künstliche Horizonte beschafft. Dadurch konnte jeder Teilnehmer an den Praktika selbst Fähigkeiten im Umgang mit diesen Meßgeräten erwerben und war nicht darauf angewiesen zuzusehen, wie der Dozent mit den Instrumenten arbeitete. Die Hersteller waren vor allem die feinmechanisch-optische Werkstätte der Gebrüder Meyerstein in Göttingen, die Abbe aus früheren Jahren gut kannte, und die Werkstatt von Carl Bamberg aus Friedenau bei Berlin, die späteren Ascania-Werke. Bamberg (1847-1892) hatte bei Carl Zeiß in Jena gelernt, an der Jenaer Universität bei Ernst Haeckel und Carl Snell und in Berlin unter anderen bei Wilhelm Foerster studiert und sich 1871 in der Berliner Umgebung selbständig gemacht. Zwei der Spiegelprismenkreise (mit den Nummern 1478 und 9157) aus der Bambergschen Werkstatt zählen zum Sammlungsbestand des Jenaer Astrophysikalischen Instituts und der Universitäts-Sternwarte. Der Spiegelprismenkreis, auch Prismenkreis oder Spiegelkreis genannt, ist ein von Tobias Mayer in Göttingen 1770 erfundenes und von Pistor und Martins in Berlin vervollkommnetes Winkelmeßinstrument für astronomische und geodätische Zwecke. Er besteht aus einer Kreisscheibe mit einer in Winkelgrad geteilten Skala auf dem äußeren Rand (peripherischer Gradlimbus), auf welcher sich eine Ablesevorrichtung (Alhidade: Zeiger) mit Nonien um den Mittelpunkt der Scheibe bewegt. Auf der Alhidade steht senkrecht ein Planspiegel, dessen Ebene einen Winkel von 20° mit der Nonienlinie bildet und parallel mit der Hypotenuse eines gleichseitigen rechtwinkeligen Prismas läuft, welches auf der Kreisscheibe steht, wenn die Nonien auf Null gestellt sind. Über dem Prisma steht ein Fernrohr. Das Instrument wird an einem Griff unter der Scheibe gehalten und mißt Winkel von 0 bis 180° bis auf 20 Bogensekunden genau.Sollen mit diesen Instrumenten nicht nur Horizontalwinkel, sondern auch Vertikalwinkel gemessen werden, so muß die eine Absehlinie entweder in eine natürliche Horizontfläche (Wasserspiegel) gelegt, oder ein künstlicher Horizont (Quecksilber oder plan geschliffene Glasscheibe, mit genauen Libellen horizontiert) zur Kontrolle des waagerechten Winkelschenkels benutzt werden (z. B. bei Polhöhenmessungen zur Ermittlung der geographischen Breite oder von Messungen der Sonnenhöhe). Die Instrumente von Carl Bamberg wurden bis zum Ende der 1960er Jahre im astronomischen Praktikum verwendet. [Dr. Reinhard E. Schielicke]

Maße

Objektivöffnung: 12 mm; Kreisdurchmesser: 155 mm

Literatur

  • Knopf, Otto (1937): Die Astronomie an der Universität Jena : von der Gründung der Universität im Jahre 1558 bis zur Entpflichtung des Verfassers im Jahre 1927. Jena
  • Schielicke, Reinhard E. (2008): Von Sonnenuhren, Sternwarten und Exoplaneten: Astronomie in Jena. Jena
Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft

Objekt aus: Friedrich-Schiller-Universität: Historische Sammlungen zur Naturwissenschaft

Die Friedrich-Schiller-Universität Jena unterhält fünf Museen und Gedenkstätten sowie zahlreiche Sammlungen. Diese spiegeln mehr als 450 Jahre...

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