Im hinduistischen Indien sind Kühe unantastbar. Eine religiöse Regel erklärte sie als gottgleich. Der Ethnologe Marvin Harris glaubt, dass hinter dem Verbot der Kuhtötung ein wirtschaftliches Prinzip steht. Das wichtigste Tier der indischen Landwirtschaft war der Ochse des genügsamen, aber ausdauernden Bos indicus, des indischen Zebus. Ohne deren Hilfe hätte man die trockenen, harten Böden Nordindiens nicht pflügen und bearbeiten können. Produzenten von jungen Stieren sind allein die Kühe. Will man den Output an Stieren (Ochsen) maximieren, dann muss man die Kühe gut behandeln, damit sie möglichst vielen Stieren das Leben schenken. Das Tötungsverbot für Kühe hat, so gesehen, einen sehr rationalen Hintergrund.
Der abgebildete Händler verkauft Kuhmilch, die im Indien des frühen 19. Jahrhunderts nur in kleinen Mengen zu haben war und die oft für rituelle Zwecke bereitgestellt wurde. Es war die Ankunft der Europäer, die den Verbrauch von Milch stark ansteigen ließ. Um diesen Markt zu bedienen, ging man dazu über, auch Büffelmilch zu konsumieren, eine Praxis, die früher in Indien kaum bekannt war. Der Mann balanciert einen befeuchteten irdenen Krug, der die Milch kühl hält, auf dem Kopf und sichert ihn mit einem Strick, den er in beiden Händen hält. Seine Frau dagegen trägt das Maß auf dem Kopf. Die Öffnung des Kruges ist durch ein Büschel Kräuter verschlossen. (Werner Kraus)
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