Jugend in der Altmark, Studium in Halle und Aufenthalt in Dresden
Am 9. Dezember 1717 wurde Winckelmann in Stendal als Sohn eines armen Schuhmachers geboren. Die Familie lebte in einem kleinen strohgedeckten Fachwerkhaus in der Lehmstraße 63, etwa an der Stelle des heutigen Winckelmann-Museums. Eher ungewöhnlich für den Sohn eines armen Handwerkers wurde der Knabe nach der Grundschule in die Lateinschule aufgenommen. Als Mitglied einer Kurrendeklasse bekam er Kleidung, Nahrung und Schulmittel kostenlos zur Verfügung gestellt, musste aber durch die Straßen ziehen, auf Beerdigungen und Hochzeiten singen, um sich durch ihren Gesang Geld zu erbetteln. Der Rektor Esaias Wilhelm Tappert hatte die Begabung seines Schülers erkannt und förderte ihn. Ab 1732 wohnte Winckelmann bei ihm und verwaltete die in einem Schrank befindliche Schulbibliothek. 1734 wurde er Chorleiter. Mit dem Geld konnte er als Schüler seine Schulbildung finanzieren und auch seine Eltern unterstützen.
1735/36 ging Winckelmann an das Berliner Köllnische Gymnasium. Rektor Bake nahm ihn bei sich auf, dort hatte er die Aufsicht über dessen Kinder und unterrichtete sie. Griechisch lehrte Christian Tobias Damm. 1736 bis 1738 hatte Winckelmann sich am Salzwedeler Gymnasium eingeschrieben, wo der Rektor Johann Georg Scholle als Lehrer tätig war und in sechs Wochenstunden Griechisch unterrichtete. 1734 stellte er 1734 ein erstes Stipendiengesuch für ein Universitätsstudium. Da er dieses erst vier Jahre später erhielt, musste er seine zunächst Schulzeit verlängern.
Von 1738 bis 1740 studierte er Theologie in Halle. Er hörte Vorlesungen des Theologen Joachim Lange, besuchte Logik und Geschichtsvorlesungen, Vorlesungen von Siegmund Jacob Baumgarten und schätzte die des Bruders Alexander Gottlieb Baumgarten, dem Begründer der Ästhetik in Deutschland. Ein halbes Jahr nach dem Studium ordnete er in Halle die Bibliothek des Kanzlers Johann Peter Ludewig neu, 13.476 Bände und 900 Handschriften. Dann arbeitete er in Osterburg als Hauslehrer, um Geld für ein Studium der Medizin und Physik in Jena zu ersparen. Doch schon im Spätsommer 1741 verließ er Jena. Eine geplante „akademische Reise“ brach er ab; das Geld ging ihm aus. 1742/43 übernahm Winckelmann erneut die Aufgabe des Hauslehrers, diesmal bei der Familie Lamprecht in Hadmersleben. Der Vater war als Oberamtmann Verwalter der Burg Hadmersleben mit den zugehörigen Ländereien. Winckelmann schätzte und liebte seinen Zögling, Peter Lamprecht, sehr.
Von 1743 bis 1748 war Winckelmann Konrektor in Seehausen, wo er u.a. die Fächer Latein, Hebräisch und Geschichte unterrichtete. Den Griechisch-Unterricht versuchte er zu verbessern, stieß dabei jedoch auf keine Gegenliebe bei Schülern und Eltern. Das Lehramt war eng an die Kirche gebunden: Da Winckelmann die aktive Teilnahme am kirchlichen Leben verweigerte, kam es zu scharfer Kritik von kirchlicher Seite. Er las in den Nacht- und Morgenstunden griechische und lateinische Autoren, Geschichtswerke und Reiseberichte, und machte sich Auszüge daraus.
1748 trat Winckelmann als Bibliothekar in den Dienst des Grafen Heinrich von Bünau im südlich von Dresden gelegenen Schloss Nöthnitz. Bünaus Bibliothek mit gut 40.000 Büchern verfügte über Bände, die Winckelmann bisher – wenn überhaupt – nur durch tagelange Fußmärsche hatte einsehen können. Er arbeitete dem weltoffenen Grafen, der selbst an einer deutschen Reichshistorie schrieb, Quellen und Texte zu. Außerdem unterstützte er seinen Kollegen Johann Michael Francke bei der Herausgabe eines neuen Bibliothekskataloges. Vor allem aber nutzte er die reiche Bibliothek für seine eigenen Studien und schrieb wichtige Texte aus den Büchern heraus. Zusammengefasst in zahlreichen Heften entstand so eine handschriftliche ‚Bibliothek‘ von mehr als 1000 Blatt. An den freien Sonntagen besuchte Winckelmann die nahe gelegene Residenzstadt Dresden.
Ende 1754 verließ er Nöthnitz und ging für ein Jahr ganz nach Dresden. Er wohnte im Haus des Malers Adam Friedrich Oeser und nahm Zeichenunterricht bei ihm. Hier entstand 1755 sein Erstlingswerk, die „Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“. Die Schrift machte ihn schlagartig als Altertumskenner bekannt und wurde sogleich ins Französische übersetzt.
Schon in Nöthnitz hatte Winckelmann Kardinal Alberico Archinto, damals Botschafter des Vatikan in Sachsen, kennengelernt. Dieser empfahl Winckelmann einen längeren Aufenthalt in Rom. Die Reise wurde ihm schließlich durch ein zweijähriges Stipendium des sächsischen Hofes gewährt. Der Aufenthalt hatte aber seinen Preis: Winckelmann, von Hause aus lutheranisch, musste zum Katholizismus konvertieren.
2018-06-11