Handwerk in Brandenburg

Lehrling und Ausbildung

„Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Gebräuche von den Bauleuten ihren ersten Ursprung haben, die ihre Freygesprochenen daran gewöhnen wollten, dieser Lehren bey ihren täglichen Arbeiten eingedenk zu seyn und ihnen Folge zu leisten. Sie nahmen als vorauszusetzen an, daß der Ausgelernte als ein mit der Welt noch unbekannter junger Mensch vorzüglich Ursachen habe, sich feiner Sitten zu befleißigen, um sein Glück in der Profession zu machen. Sie glaubten auch, daß seine Mitgesellen und andere dazu beytragen würden, wenn er ihnen nicht selbst widerstrebte, ihm die Rohheit und etwaige andere Fehler zu benehmen; darum mußte er es sich bey den Zimmerleuten gefallen lassen, die Stelle des rauhen Stammes zu vertreten, der durch die Gesellen behauen und behobelt wurde. Die Mäurer hingegen behandelten ihren Lehrling als einen Stein, der durch Hammer und Meissel die erforderliche Gestalt, und durch das Schleifen ein gefälliges Ansehen bekommt. Dergleichen Sinnbilder verdienen allen Beyfall, indem sie das Andenken an das Bestreben zur sinnlichen Vervollkommnung gleichsam an das Material heften, mit dem die Bauleute sich täglich beschäftigen.“ (1)
So beschreibt und lobt die Krünitzsche Enzyklopädie den brachialen Ritus zur „Freisprechung“ des Lehrlings nach abgeschlossener Ausbildung. „Lehrling“ durfte sich nur nennen, wer eine Ausbildung in einem „zünftigen“ Handwerk antrat und die oblag bis Mitte des 19.Jahrhunderts ausschließlich dem Meister einer Zunft.


Die unten gezeigten Beispiele, der etwa 150 Jahre später ausgestellten Beurteilungen und Lehrzeugnisse bilden hierzu in ihrer unaufgeregten Sparsamkeit einen markanten Kontrast.


Das im deutschen Kaiserreich eingeführte duale Ausbildungssystem, bestehend aus betrieblicher Ausbildung und fachschulischer Theorie, existiert in wesentlichen Teilen bis heute. Auch die Dauer der Lehrzeit von 2 ½ bis maximal 4 Jahren und die Gesellenprüfung mit Fertigung des Gesellenstücks ist geblieben.
Deutlich verändert hat sich die rituelle Prägung, das Einstiegsalter in die Lehre (14 Jahre war vor 1945 noch allgemein üblich) und die sozio-ökonomische Situation des Lehrlings: das nur noch sprichwörtlich dem Meister zu zahlende „Lehrgeld“ wurde zugunsten einer Ausbildungsvergütung für den Lehrling abgeschafft. Das Lehrgeld diente als Aufwandsentschädigung für den Meister und dessen Familie, in deren Obhut der Lehrling für die Zeit der Ausbildung verblieb. Lehrlinge lebten üblicherweise im Haus des Lehrherrn, bekamen Essen und Kleidung mussten dafür aber auch einen gewissen Anteil „Gesinde-Arbeit“ verrichten.

In diesem Themenbereich finden sich zahlreiche Beispiele historischer Dokumente und Fotografien aus dem Bestand des Dorfmuseums Tremmen.

(1) Johann Georg Krünitz:Ökonomisch-technologische Enzyklopädie, Band 70, 1796/1804, Seite 412-413 (elektronische Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier http://www.kruenitz.uni-trier.de/)

 

2017-09-29

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