Anton Graff - Meisterporträts in Original, Kopie, Druck

Anton Graff (Winterthur 1736-1813 Dresden) - "Maler der Seele und des Geistes"

Graff begann seine künstlerische Ausbildung mit dem Besuch der Mal- und Zeichenschule Johann Ulrich Schellenbergs in seiner Heimatstadt, eines Landschaftsmalers und versierten Porträtisten sowie Kupferstechers. 1756 ging er zu Johann Jakob Haid nach Augsburg, damals eines der wichtigsten künstlerischen Zentren in deutschen Landen. Haid ist heute vor allem noch als Schabstecher und Grafikverleger bekannt, in dessen Arbeiten ein ausgeprägtes Interesse für Künstler- und Gelehrtenporträts deutlich ist. 1757 arbeitete Graff gut ein Jahr bei dem Ansbacher Hofmaler Leonhard Schneider, nun bereits als Geselle. Hier lernte er nach den Erfahrungen in den Bürgerstädten Winterthur und Augsburg den Werkstattbetrieb eines Hofmalers und die geläufigen Typen des höfischen Porträts kennen und konnte Meisterwerke der Porträtkunst in der Gemäldegalerie und den Schlössern studieren, darunter Arbeiten des preußischen Hofmalers Antoine Pesne und Jan Kupezkys. Im Februar 1759 kehrte Graff nach Augsburg zurück und entfaltete eine rege Tätigkeit, ebenso während eines knapp einjährigen Aufenthalts in Regensburg 1764/1765.

1766 folgte Graff der Berufung als sächsischer Hofmaler und Lehrer der zwei Jahre zuvor gegründeten Kunstakademie nach Dresden und war hier bis zum Ende seines Lebens tätig.

Das Herrscherhaus ist vergleichsweise gering vertreten im Œuvre dieses Hofmalers. Seinen Kundenstamm erweiterte Graff seit 1768 auf Leipzig sowie seit 1771 auf Berlin. Zahlreiche Aufträge hatte er auch in Hamburg, Karlsbad, Teplitz, Winterthur, Zürich, Bern und andernorts auszuführen. Besonders eng war seine Beziehung zu Berlin. Mit dem Maler und Kupferstecher Daniel Chodowiecki verband ihn eine tiefe Freundschaft. Dieser und Graffs Schwiegervater Johann Georg Sulzer, der einflussreichste Ästhetiker der Aufklärung in Deutschland, öffneten dem Porträtisten manche Türen in der preußischen Residenz, so etwa auch zum Hof des Prinzen Heinrich in Rheinsberg. Das Angebot einer Bestallung zum preußischen Hofmaler schlug er 1788 jedoch aus.

Graff schuf eine Reihe von Landschaftsmalereien mit Motiven aus der Umgebung Dresdens. So reizvoll in ihrer Stimmungshaftigkeit und in ihrem malerischen Vortrag diese Arbeiten sind, können sie ebenso wie die Altmeisterkopien in Graffs Œuvre gegenüber dem Porträtwerk doch nur als marginal erachtet werden. Graff ist einer der letzten Porträtisten großen Stils in Deutschland, die sich dieser Gattung ganz widmeten.

Graff gilt als der Porträtist der Dichter und Denker der Aufklärung in Mittel- und Norddeutschland. Diesen Personenkreis bildet auch der weitaus größte Teil der Druckgrafik nach Arbeiten Graffs ab. Allerdings umfasst das Porträtwerk des Malers ebenso die Adelsgesellschaft seiner Zeit und die Kaufmannschaft. Bedeutende Werkgruppen Graffs stellen außerdem seine überaus zahlreichen Selbstporträts, die Bildnisse seiner Familie und Familienangehörigen sowie die Porträts von Freunden und Künstlerkollegen dar. Auffällig ist ferner die hohe Zahl an Bildnissen von Bühnendarstellern und Musikern, in denen das neue Prestige dieser Berufszweige Ausdruck findet.

Graffs Porträtwerk ist singulär von seinem Umfang her und erst recht in der Konsequenz, mit der er den Menschen im Porträt als geistiges, seelisches und geselliges Wesen deutete. "Mahler der Seele und des Geistes" - wurde er genannt (Kunstnachrichten. In: Der Teutsche1 Merkur 1779, Bd. 1, S. 172-176, hier S. 173). Die Ausbildung dieser Porträtauffassung fällt in die ersten Jahre seiner Bestallung in Dresden. Von besonderer Bedeutung dürften hierbei die zahlreichen Aufträge zu Bildnissen von Künstlern und Gelehrten für die Porträtgemäldegalerie des Leipziger Verlegers Philipp Erasmus Reich gewesen sein, für den Graff seit 1769 tätig war (31 Porträts). Gerade die gewisse Gleichförmigkeit, die mit diesen Aufträgen gefordert war, wird der Entwicklung dieser Porträtauffassung förderlich gewesen sein.

Graff stellte seine Porträtgestalten in Pracht, Eleganz, Lässigkeit, Geist, Gemüt, Witz und Anmut dar, blieb dabei jedoch stets unprätentiös und phrasenlos. So sehr er dabei dem Geist seines Zeitalters entsprach, so einhellig Publikum und Kollegen im Lob seiner Kunst waren, so mustergültig sein Werk für das Porträt der Aufklärungszeit war, so kamen ihm andere Maler doch in seinen Eigentümlichkeiten kaum nahe. Graff‘sche Werke sind meist an der besonderen beseelten, aktivischen und vitalen Miene der dargestellten Persönlichkeit leicht zu erkennen. Im Maltechnischen ist ein Defekt der Farbschicht charakteristisch für seine Gemälde, sogenannte ‚Frühschwundrisse‘, eine Folge der übereilten Übermalung noch nicht getrockneter Schichten.

Man sollte meinen, ein solch großer Menschendarsteller müsste auch in den Kreisen der Gesellschaft seiner Zeit allgegenwärtig gewesen und in den so überaus reichhaltigen schriftlichen Niederschlägen des tintenklecksenden Säculums reichen Niederschlag gefunden haben. Doch blieb der Künstler in dieser Hinsicht weitgehend stumm. Mit Daniel Chodowiecki stand Graff in einem regen Briefwechsel, von dem jedoch nur die Briefe Chodowieckis überliefert sind. In den wenigen sonstigen Schreiben, darunter eine knappe Autobiografie, ist Graff bescheiden und lakonisch im Ton. So tritt die Person hinter das Werk zurück.

2016-10-11

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