Brandenburgisches Glas

Großer Trichterpokal mit Kugel- und Olivenschliff

Kelch aus farblosem, etwas gelbstichigem Glas, schlierig, Abrissnarbe am Boden, angesetzter Massivbalusterschaft mit kleiner Luftblase, über einer Ringscheibe ist die trichterförmige Kuppa mit einem Kranz aus zwei versetzten, polierten Oliven verziert, der untere mit einem Rahmen aus mattierten Perlen, darüber ein Fries aus Vögeln und Blumen zwischen geblänkten Kugelungen, Mündungsrand verwärmt.
Der Trichterpokal gehört zu einer Gruppe von formähnlichen Gläsern mit böhmisch anmutendem Dekor aus der Zeit vor 1700, die in der Literatur nach Brandenburg verortet wird (vgl. Poser, Berliner Becher, 2017; Fischer, Gläserne Pracht, 2011, Kat. 98, S. 83, Keisch/Netzer, Herrliche Künste und Manufacturen, 2001, Kat. 131, 133–136, 166–168; Rückert, Die Glassammlung, 1982, Bd. 2, Kat. 800–802, Taf. 245; Schmidt, Brandenburgischer Gläser, 1914, Taf. 4.2). Allein sechzehn Exemplare sind im Bestand der Stiftung Stadtmuseum Berlin vorhanden (publiziert im Themenportal "Brandenburgisches Glas" auf museum-digital.de). Nahezu identische Gläser wurden zeitgleich auch im Riesengebirge hergestellt (vgl. Wierzchucka/Kügler, Barockes Glas, 2016, Kat. 20, S. 46; Jentsch, Licht und Rausch, 2004, Abb. 27, S. 49; Brožová, Sklo v Praze, Ars Vitraria 9, 1989, S. 17). Eine zweifelsfreie Zuschreibung ist unmöglich. Karl-Heinz Poser hat für ihn den Begriff "Potsdamer Kelch" geprägt (Poser, Berliner Becher, 2017).
Trifft die Potsdamer Herkunft zu, hat diese charakteristischen Trichterpokale wohl ein in Berlin ansässiger, böhmischer Glasschneider veredelt. Dass hingegen auch andere zeitgenössische Kreideglashütten in Brandenburg Glasschneider beschäftigten, ist dokumentiert. Ab 1654 bis in die 1670er Jahre waren in Marienwalde und Grimnitz drei Brüder Gampe aus Böhmen tätig. Die Standorte Pinnow bei Oranienburg und Zerpenschleuse bei Wandlitz haben der Potsdamer Hütte um 1690 Konkurrenz gemacht und könnten ebenso gut die Rohlinge zur Weiterveredlung beispielsweise nach Berlin geliefert haben (Schmidt, Brandenburgische Gläser, 1914, S. 21, 35, 112). [Verena Wasmuth]

(Object from: Kunstgewerbemuseum Original entry)

Material /Technique ...

Glas / in Hilfsmodel geblasen, geformt, geschliffen, geschnitten

Measurements ...

H. 23,1 cm; Dm. Fuß 14,2–14,6 cm; Dm. Mündung 12,4 cm; Wandungsstärke 0,9 cm

Created ...

... Who:

... When:1680-1700 [circa]

... Where:Potsdam [wahrsch.]

Literature ...

  • Christiane Keisch/Susanne Netzer (2001): „Herrliche Künste und Manufacturen.“ Fayence, Glas und Tapisserien aus der Frühzeit Brandenburg-Preußens 1680–1720. Berlin