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Landesmuseum für Vorgeschichte Halle Frühe Jungsteinzeit/Frühneolithikum (5.450-3.950 v. Chr.)

Frühe Jungsteinzeit/Frühneolithikum (5.450-3.950 v. Chr.)

Über die Sammlung

Der Übergang vom Wildbeutertum zu Pflanzenanbau und Viehhaltung ist der radikalste Kulturwandel in der Menschheitsgeschichte. In Mitteldeutschland vollzog sich dieser Umbruch vor 7.500 bis 7.000 Jahren. Die Zeit der Jäger - als längste Phase menschlicher Lebensweise - fand ihr Ende, die Ära der Bauern brach an. Nun begann man, die Umwelt zu manipulieren, um vom natürlichen Nahrungsangebot unabhängiger zu sein. Das neue Lebenskonzept war jedoch keine selbständige Entwicklung hiesiger Gesellschaften, sondern wurde von Zuwanderern aus dem südosteuropäischen Donauraum mitgebracht. In mehreren Wellen drangen Gruppen dieser Pionierbauern nach Mitteleuropa vor. In 100-200 Jahren breiteten sie sich inselartig siedelnd bis zum Rhein aus. Im Gepäck hatten sie das ganze Bündel des Kulturwandels: Saatgut, Vieh, Hausbau, Keramik, Textilien und Steinschliff, aber auch Gebräuche und Glaube. Strittig ist, in welchem Umfang einheimische Wildbeuter die innovativen Techniken und Strategien übernommen haben.<br>
An die neue Wirtschaftsweise waren grundlegende Änderungen individueller wie auch gesellschaftlicher Verhaltensmuster gekoppelt. Das einst mobile Leben wurde ortsgebunden. Man gründete dauerhafte Siedlungen mit massiven Holz-Lehm-Gebäuden. Die Ideologie änderte sich. Das Schicksal einer Gemeinschaft war nun auf das Engste mit dem von ihr geschaffenen Wirtschaftsraum verknüpft. Land wurde zu Eigentum erklärt, um ein garantiertes Anrecht auf den Ertrag der investierten Mühe zu haben. Landbesitz erhielt einen Wert, um den es sich unbedingt zu kämpfen lohnte. Vererbtes Land und Vieh sicherte die Versorgung der Nachkommen. Eigentumsbildung, Erblichkeit und Besitzstreit bedingten Legitimationen, aus denen letztlich Herrschaftsstrukturen erwuchsen. In diesen Umwälzungen<br>
liegen die Anfänge heutiger Wertmaßstäbe und Gesellschaftsordnungen.<br>
Ackerbau und Viehhaltung bewirkten den entscheidenden Bruch in der Beziehung zwischen Mensch und Natur. Dem Konzept, eigenständig Nahrungsquellen zu erzeugen, liegt der Wille nach Unabhängigkeit vom unbeständigen natürlichen Nahrungsangebot zugrunde. Das Ende der Mittelsteinzeit und der Beginn der Jungsteinzeit sind durch diese Neuorientierung definiert. Nun begann die tatsächliche Inbesitznahme und Umgestaltung der Natur durch den Menschen. In nie gekanntem Ausmaß griff er in seine natürliche Umwelt ein. Rodungen, selektive Pflanzennutzung, Beweidung und dadurch verursachte Erosion freigelegter Böden veränderten das regionale Landschaftsbild nachhaltig. Für Charles Darwin war die Domestikation von Tieren, also deren Zähmung und Züchtung, sogar das größte biologische Experiment der Menschheit.<br>
Der Wechsel von der aneignenden zur produzierenden Nahrungs- und Materialbeschaffung erfolgte unabhängig voneinander in wenigen Regionen der Welt zu sehr unterschiedlichen Zeiten. Erstmalig und am effektivsten erfolgte dieser fundamentale Umbruch vor etwa 11.000 Jahren im südlichen Vorland des Taurus- und Zagrosgebirges, dem heutigen türkisch-iranisch-irakischen Grenzgebiet. Nur dort bündelten sich gleich mehrere ökologische und klimatische Faktoren, die das Entstehen von zunächst Ackerbau und dann Viehhaltung entscheidend begünstigten. So überschnitten sich in jener vorderasiatischen Landschaft die Lebensräume der Wildformen von Getreide, Erbse, Linse, Ackerbohne, Schaf und Ziege. Die neue Ernährungsstrategie wurde jedoch nur notgedrungen entwickelt, da aufgrund trockener Klimaphasen die natürlichen Ressourcen nicht mehr ausreichten. Erste Pflanzungen dienten vielleicht als Reserve bei ausbleibendem Jagd- und Sammelglück. Da auch schon Wildgetreide ertragreich ist und es nur sehr weniger genetischer Veränderungen bedarf, um daraus rasch keimenden Weizen mit nicht abfallenden Körnern zu züchten, ließ sich die Versorgungslage stabilisieren und steuern.<br>
Ortsfestes Leben begünstigt kürzere Geburtenabstände. Zahlreichere Nachkommen in Kombination mit der Fähigkeit, pro Hektar mehr Personen ernähren zu können, führten zum Bevölkerungsanstieg. Bereits nach einigen Generationen mussten Teile der Bevölkerung in benachbarte Gebiete ausweichen. Innerhalb von etwa 1500 Jahren gelangten Bauerngruppen etappenartig aus dem Vorderen Orient über Südost- nach Mitteleuropa. Die Ausbreitung erfolgte während einer wärmeren Klimaphase als heute. Offenbar stießen die Kolonisten stets weit in das Neuland vor und siedelten es dann allmählich auf. In Mitteleuropa bildeten die ersten Bauerngemeinschaften noch rund 500 Jahre eine gemeinsame Zivilisation, die sich dann in unterschiedliche Kulturgruppen aufspaltete.<br>
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© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt - Landesmuseum für Vorgeschichte; Grafik Hirte: Karol Schauer

Diese Sammlung umfasst folgende Teile

Linienbandkeramik-Kultur (5.450-4.800 v. Chr.) [18] Objekte zeigen
Stichbandkeramik-Kultur (4.900-4.600 v. Chr.) [9] Objekte zeigen
Rössener Kultur (4.600-4.450 v. Chr.) [13] Objekte zeigen
Gaterslebener Kultur (4.500-4.000 v. Chr.) [6] Objekte zeigen

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