Die Gestalt der Josephe von Tannensee aus Wilhelm Hauffs romantischer Novelle "Die Bettlerin vom Pont des Arts" diente dem Maler als Anregung für dieses Gemälde. Jedoch wandelte Nathanael Sichel das bei Hauff geschilderte Mädchen aus verarmten Adel in eine Zigeunerin um.
Sie hält in der linken Hand eine Rebec, auf der sie musiziert hat, und fordert mit unmissverständlicher Geste Gaben. Die fast lebensgroße Gestalt steht vor einer bräunlichen, im oberen Teil helleren Backsteinmauer. Effektvoll heben sich das von schwarzen Haaren um rahmte Gesicht und die Hände ab, auf die von der linken oberen Ecke des Bildes Licht fällt. Aus den wohlgeformten Gesichtszügen schauen die dunklen Augen Mitleid heischend dem Betrachter entgegen. Die reizvolle Figur wird durch das eng anliegende dunkle, aber hoch geschlossene Kleid betont. Sichel schildert den in der Wilhelminischen Ära von Männern bevorzugten Typ der unschuldig scheinenden, verführerischen Frau.
Das in gefälligem Stil gemalte Bild hing 1893 in der Großen Berliner Kunstausstellung. Zwei Jahre danach wurde es aus Privathand dem Museum Moritzburg geschenkt.
Sichel, der schon mit 20 Jahren den Rompreis der Berliner Akademie erhielt, wurde vor allem durch Bildnisse orientalischer Frauen und Mädchen berühmt. Einst hoch geschätzt, gehört der Maler zu jenen heute vergessenen Künstlern, deren Werke die Erwartungen und Bedürfnisse des damaligen Publikums bedienten.
Bezeichnet o. r.: N. Sichel
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