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Lippisches Landesmuseum Archäologische Sammlung [3919,104-U2205]
Borte (Lippisches Landesmuseum Detmold CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Lippisches Landesmuseum Detmold / Jürgen Ihle (CC BY-NC-SA)
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Borte / Bortenfragment mit Granatapfelmuster und Picots

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Beschreibung

Bei diesem Textilstück aus der Grabung an der St. Nicolai Kirche in Lemgo handelt es sich um eine Borte.
Es stammt aus einer stark gestörten Bestattung an der Süd-West Ecke der Kirche, die nur noch aus einigen Schädelfragmenten und möglicherweise dazugehörenden weiteren Knochenfragmenten bestand. Es handelt sich um einen Erwachsenen, wobei das Geschlecht anhand der Knochenreste nicht bestimmt werden konnte. Die Textilreste hafteten an den Fragmenten von Scheitel- und Schläfenbein sowie einem unidentifizierbaren Schädelbruchstück.
Die weitere Untersuchung des Gewebes unter dem Mikroskop zeigte, dass es eine Faltung aufwies, die an beiden Seiten genadelt waren. Die Einstichlöcher der Nadeln sind noch deutlich sichtbar. Auf Grund der Lage der Textilfragmente an den gefundenen Knochen, könnte die Borte zu einer Kopfbedeckung gehört haben. Dafür sprechen auch die Faltungen und die Nadellöcher. Die Nadellöcher deuten eher auf eine Frauenhaube hin, da bei dieser die Spitzenteile an den Haubenkörper gesteckt wurden.
Das Grundgewebe ist eine Leinwandbindung mit einem zusätzlichen Musterschuss aus Silberlahn mit einer Seidenseele. Die Borte ist 23 mm breit, mit Picots ergibt sich eine Breite von 27 mm. Picots sind kleine Schlingen an den Webkanten einer Borte oder Spitze. Die Länge des Fragments beträgt 79 mm. Das Gewebe weist 120 Fäden in der Kette und 28 Fäden pro cm im Schuss auf. An den Seiten sind jeweils sechs gegenüberliegende, 4,5 mm breite Picots mit einem Abstand von 3,5 mm angearbeitet. Von den 120 Kettfäden sind an jeder Seite je sechs doppelt verstärkte Randfäden.
Auffällig ist die Verarbeitung von Lahnfäden. Lahn ist die Bezeichnung für einen dünnen, schmalen Metallstreifen (Gold, Silber, Leonische Ware). Er kann flach in Geweben verarbeitet oder zum Klöppeln von Spitzen eingesetzt werden. Wird er um einen textilen Innenfaden (Seele) gewickelt, handelt es sich um ein Metallgespinst. Der Lahn besteht also aus reinem oder nahezu reinem Silber
Kette und Schuss des vorliegenden Fundes sind aus Seidengarn, der Musterschuss ist silberfarbener Lahn mit Z- Drehung und einer Seele aus gelbem Seidengarn in S-Drehung.
Die vorliegende Borte unterscheidet sich sehr stark von bekannten Gold- und Silberborten. Die Musterbildung erfolgte durch den zusätzlichen Schusseintrag des Silberlahnfadens, der zum größten Teil nur auf der Oberseite sichtbar ist. Auffallend ist das dargestellte Muster eines Granatapfels umgeben von floralen Linien, sowie die Anordnung der Picots für die es in dieser Art bei keiner Vergleichstücke gibt.
Die Darstellung des Granatapfels ist eines der bedeutendsten Motive im Mittelalter und der Renaissance. Er symbolisiert das Leben und die Fruchtbarkeit, aber auch Macht, Blut und Tod. Es findet sich während der Renaissance in der Malerei und in textilen Samten und Brokaten. Für das vorliegende Bortenfragment konnten bisher im deutschsprachigen Raum keine ähnlichen Borten zu Vergleichszwecken ermittelt werden.
Typisch für die Zeit der Renaissance sind Muster mit starker Symmetrie und der Einsatz von Picots, wie sie in dem vorliegenden Fragment zu sehen sind. Durch den fast reinen Silbergehalt des Lahnfadens, den die Messung ergab, ist eine Datierung ins späte 18. und 19. Jahrhundert auszuschließen. Zu dieser Zeit wurden die Metallgespinste mit reinem oder sehr hohem Edelmetallgehalt zunehmend durch billigere Legierungen ersetzt. Verglichen mit bekannten Borten des 18. und 19. Jahrhunderts handelt es sich bei dem vorliegenden Fund um eine sehr feine Arbeit mit einer gänzlich anderen Gewebeart und Verarbeitung des Lahnfadens.
Auf Grund der Störung der Gräber auf dem Kirchhof kann die die Borte archäologisch keinem genauen Zeitraum zugeordnet werden. Für eine Datierung ins frühe 17. Jahrhundert sprechen aber sowohl das Granatapfel-Muster als auch das Material.

Material/Technik

Leinwand, Silberlahn, Seide

Maße

LxBxD: 79 x 27 x 2 mm

Literatur

  • Hilgenböker, Heidi ; Nockemann, Guido; Suray, Dorothee (2011): Ein bemerkenswerter Textilfund vom Friedhof der St. Nicolai Kirche in Lemgo. Archäologie in Westfalen-Lippe 2010, 189-192
  • Nockemann, Guido; Suray, Dorothee (2011): Ausgrabungen auf dem Friedhof von St. Nicolai - Neues zur Baugeschichte, Friedhof und Beinhaus. Archäologie in Westfalen-Lippe 2010, 185-189
Hergestellt Hergestellt
1600
Gefunden Gefunden
2010
Lippisches Landesmuseum, Abt. Bodendenkmalpflege
Lemgo
[Zeitbezug] [Zeitbezug]
1400
1399 2012
Lippisches Landesmuseum

Objekt aus: Lippisches Landesmuseum

Das Lippische Landesmuseum Detmold ist das größte und älteste Regionalmuseum Ostwestfalen-Lippes. 1835 als Naturhistorische Sammlung gegründet,...

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