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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Textil [IX 1006]
Deutschland / Italien: Armlehnstuhl, 2. Hälfte 19. Jahrhundert / 17. Jahrhundert (?), IV 969, IX 1006. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Handrick, Roland (2000) (CC BY-NC-SA)
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Bezug eines Armlehnstuhls

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Beschreibung

Der Sitz zeigt eine Hügellandschaft mit kleinen Blumen und einer Hausruine. Die Darstellung ist ganzflächig ausgestickt, wobei die Landschaft in halbem Kreuzstich, Blumen, Baum und das Haus in Perlstich ausgeführt wurden. Auf der Rückenlehne ist hingegen eine figürliche Szene in einer Landschaft mit Büschen und einer Palme zu sehen: Aus den Mauern einer Stadt treten antik gekleidete Männer Kriegern eines Zeltlagers entgegen. Auf einem Turm der Stadtmauer deutet eine gerüstete Frau zu ihnen hin. Die Szene gibt die Erzählung des dritten Gesangs aus Torquato Tassos Dichtung "Gerusalemme liberata" wieder mit der gerüsteten Clorinda, die dem König die Krieger des Kreuzfahrerheeres erklärt. Dieses schlägt gerade das Zeltlager vor Jerusalem auf, nachdem es die erste Schlacht gegen die Moslems vor der Stadt gefochten hat. Der Hügel mit der Palme kennzeichnet das Grab des gefallenen Dudo.

Die heterogene Kombination der Polsterbespannungen, die sich in Darstellung, Material und Farbwahl voneinander unterscheiden, resultiert aus einer Verwendung alter und neuer Teile. Während die Gestelle und die Sitzpolster aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen und die Bezüge in den Maßen auf die Gestelle abgestimmt wurden, weisen die Beschneidungen der Stickereien an den Armlehnpolstern auf deren Herkunft aus einem größeren Zusammenhang hin. Möglicherweise wurden sie als brauchbare Teile aus einer älteren Stickerei (erste Hälfte 19. Jahrhundert?) ausgeschnitten und wiederverwendet. Die Stickereien der Rücklehnenpolster passen weder im Charakter der Darstellung noch in den Maßen zu den Gestellen und den anderen Stickbezügen. Sie wurden vergrößernd sowohl aus anderen Teilen der Originalstickerei als auch aus zugefügten neuen Stickereien ergänzt. Offensichtlich wurden sie für einen anderen Zusammenhang, wohl eine andere Polstermöblierung, hergestellt und zweckfremd verwendet. Bei dem Vergleich des Sofas mit einem weiteren, nicht erhaltenen auf einem Foto aus den Paradekammern des Berliner Schlosses fällt auf, dass im Geggensatz zur dreigeteilten Rückenlehne des erhaltenen Sofas das nicht erhaltene eine andere, durchgehende Rückenlehnengestaltung mit einer großen Stickszene aufwies. Demgemäß war auch das Rahmengestell unterschiedlich mit nur einer Schweifung der Rückenlehne gearbeitet. Diese individuelle Sofagestaltung legt nahe, dass die Gestelle mit Rücksicht auf den vorhandenen Bestand der Stickereien angefertigt wurden. Woher diese Stammten, ist nicht bekannt. Die Motive verbildlichen Szenen aus Torquato Tassos Gerusalemme liberata (1581). Lediglich die rechte Szene des Sofas lässt sich bislang auf eine der bekannten Illustrationen des Werkes zurückführen, und zwar auf diejenigen von Bernardo Castello, die erstmals 1590 und später in zahlreichen Neuauflagen erschienen. Die Stickerei ist eine in Figurenpersonal und Bildausschnitt reduzierte Kopie dieser Illustration, die Details variiert: Die Gesichter sind glatter, einfacher modelliert, wirken jünger und klassischer als in der gedruckten Vorlage, sie besitzen einen anderen Ausdruck und leicht unterschiedliche Wendungen der Köpfe. Daher bot wohl nicht die Originalillustration die unmittelbare Vorlage zu der Stickerei, sondern eine leicht veränderte Kopie. Keine der anderen Stickereien stimmen mit den sonstigen Illustrationen von Castello überein. Daher werden sie nach anderen Illustrationen der Dichtung gearbeitet sein, die allerdings einheitlich im Stil der Darstellung und der Figurengestaltung dem Vorbild Castellos folgen. Demzufolge müssten sie ebenfalls Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts zu datieren sein. Nimmt man angesichts des Aufwandes, mit dem die Gestelle an die Stickereien angeglichen wurden, an, dass die Stickereien alte Originale darstellen, müssten sie demzufolge ebenfalls in das 17. Jahrhundert datiert werden. Die italienische Inschrift in der Darstellung des Armlehnstuhls GK IX 1006 weist auf eine Entstehung in Italien hin. Zweifel an der zeitlichen Zuordnung weckt allerdings der gute Erhaltungszustand der Stickfäden, der sich von demjenigen der Sitzpolster kaum unterscheidet. Wie diese Stickereien in kaiserlichen Besitz gelangten, ist ebenfalls unbekannt. Möglicherweise erwarb sie Kaiser Wilhelm II. auf einer seiner Reisen nach Italien als originale Stickereien des 17. Jahrhunderts und verwendete sie für die barockisierende Ausstattung der Schlossräume.

Uta-Christiane Bergemann

Material/Technik

Beigebraun: gefachte Seide (Rückenlehne), einfach locker gezwirnt, Stickerei, halber Kreuzstich, Perlstich (Sitz), Kreuzstich, Perlstich (Rückenlehne), beigebraun

Maße

Hauptmaß: Höhe, Rückenlehne: 85.00 cm Breite, Rückenlehne: 69.00 cm Breite, Sitz: 74.00 cm Breite, Armlehne: 10.00 cm Tiefe, Sitz: 68.00 cm Tiefe, Armlehne: 25.00 cm

Literatur

  • Bergemann, Uta-ChristianeStickereien, Berlin 2000 (Bestandskataloge der Kunstsammlungen. Angewandte Kunst. Textilien / Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg). , S. 242-243, Kat. Nr. 131, mit Abb
Karte
Hergestellt Hergestellt
1600
Italien
Hergestellt Hergestellt
1850
Deutschland
1599 1902
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Objekt aus: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei...

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