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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Uhren und Musikinstrumente [V 20]
Huguenin, Abraham-Louis: Bodenstanduhr, 1767, V 20. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Ziebe, Oliver (Berlin, 2020) (CC BY)
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Abraham-Louis Huguenin, Bodenstanduhr, 1767, Inv. Nr. V 20

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Beschreibung

Im dreiteiligen Aufbau, in der Dimension und dem reichen, vergoldeten Gelbgusszierrat folgt die Gehäusegestaltung den in den 1760er Jahren in Berlin und Potsdam entstandenen Bodenstanduhren, die u.a. im Auftrag Friedrichs II. von Preußen für die Ausstattung des Neuen Palais angefertigt wurden. Allerdings unterscheidet sich die Dekoration des Pendelkastens mit ihren frühklassizistischen Anklängen nach französischen Vorbildern deutlich von den sonst für Friedrich gefertigten Bodenstanduhren.
Die Medaillons am Gehäusesockel stellen vorn einen antiken Krieger, links den römischen Philosophen und Staatsmann Lucius Annaeus Seneca (um 1 v.Chr.-65 n.Chr.), vermutlich nach der Bronze-Büste von Guido Reni (1575-1642), und rechts den König selbst dar. Dieses Programm deutet darauf hin, dass Friedrich die Uhr nicht für sich selbst, sondern möglicherweise als Präsent für seinen 14 Jahre jüngeren Bruder Heinrich anfertigen ließ. Prinz Heinrich von Preußen (1726-1802) bewährte sich im Siebenjährigen Krieg als geschickt agierender militärischer Befehlshaber und erhielt mit seiner Gemahlin Wilhelmine ein eigenes Appartement im Neuen Palais zugewiesen, das er allerdings selten nutzte. Tatsächlich stand die Uhr laut Inventar von 1784 höchstwahrscheinlich in einem Vorzimmer dieser Gästewohnung.
Senecas Bildnis verweist auf dessen 48/49 n. Chr. entstandenen Text „Von der Kürze des Lebens“. Der Autor äußert hierin Kritik an der Zeitvergeudung und fordert dazu auf, die eigene Zeit als kostbaren Besitz zu erkennen, mit dem man haushälterisch und sparsam umgehen muss. Ein wahrhaft erfülltes Leben erhalte, so Seneca, nur jener, der sich mit der Philosophie beschäftige. Diese Assoziation erscheint sinnvoll an einem Uhrengeschenk Friedrichs II., der sich selbst gern als Roi Philosophe inszenierte. Das lorbeerbekränzte Bildnis des Königs ist im strengen Profil, antik gewandet und mit Zopfperücke wiedergegeben. Die Porträtauffassung ähnelt der 1770 von Bartolomeo Cavaceppi vollendeten Marmorbüste (SPSG, Skulpt.slg. 188), die den König im fortgeschrittenen Alter, mit hoher Stirn und weit geöffneten Augen, allerdings in Uniform, darstellt. Möglicherweise lag auch eine graphische Vorlage für das Medaillon an der Uhr zugrunde, wie sie auch für die strengen Profil-Darstellungen des Königs auf Münzen, beispielsweise von Jacob Abraham, benutzt wurden.
Hergestellt wurde die Uhr 1767 in der Werkstatt des Kunsttischlers Johann Friedrich Spindler, den prächtigen, feuervergoldeten Zierrat schuf Johann Melchior Kambly in Potsdam. In vielen Details verweist das Gehäuse auf ein verwandtes, etwa zeitgleich entstandenes Stück für Schloss Breslau, das der König für sich selbst und für eine Aufstellung im Thron- und Arbeitszimmer bestellte. Es wurde ebenfalls von Spindler mit kunstvollen Intarsien und Kambly gefertigt, der Mechanismus allerdings von Johann Gottlieb Klose. Der Zopfstil-Charakter tritt hier zurück, doch gibt es mehrere Übereinstimmungen im Aufbau und bei einigen Details, wie bei den Lorbeer- und Blumengirlanden. Selbstverständlich fehlt dort das Porträt des Königs – undenkbar an einem Möbelstück für sein eigenes Appartement. Es gibt nur ein Medaillon auf der Vorderseite des Sockels, das Minerva, die Göttin der Weisheit, der Kunst und taktischen Kriegsführung, zeigt. (Silke Kiesant)

Beschriftung/Aufschrift

Signatur auf dem Zifferblatt: HUGUENIN A BERLIN

Vergleichsobjekte

Nationalmuseum Warschau, ehemals Schloss Breslau, Inv. Nr. SZMb 266 MN, Bodenstanduhr
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. V 2, Bodenstanduhr

Material/Technik

Konstruktionsholz: Eiche; Furnier: Palisander (Königsholz); Intarsien: Ahorn, Ebenholz, Buchsbaum, intarsiert, z.T. gefärbt und graviert; Gelbguss, ziseliert, feuervergoldet; Werkstuhl: Eiche; Gewichte: Blei; Messing; Stahl; Email; Glas

Maße

Höhe: 289.00 cm Breite: 69.00 cm Tiefe: 42.00 cm

Ausführliche Beschreibung

Das rechteckige Messing-Vollplatinenwerk (H: 16,2 cm; B: 18 cm; Werkpfeiler mit glatten Pfeilern und halblinsenförmigen Ansätzen zu den Platinen, H: 6,3 cm, Platinenstärke: 0,2 cm) ist auf einen hölzernen Werkstuhl (H: 2 cm; B: 31,2 cm; T: 10,5 cm) montiert. Es besitzt ein Achttagewerk mit Gewichtsantrieb und zwei Gewichten, der Aufzug erfolgt mit Darmsaiten über lose Umlenkrollen, Viertelstundenschlag auf zwei auf der Rückplatine ineinander montierten Glocken (deren Anbringung auf der Rückplatine für ein Standuhrwerk sehr selten), Bethune-Hemmung (Kreuzschlag-Hemmung), Sekundenpendel (fehlt) mit Pendelfeder, horizontal zwischen den Platinen gelagerte Hammerwellen, keine Repetition. Rechenschlagwerk und Kadratur befinden sich auf der Vorderplatine. Bemerkenswert sind die seitenverkehrte Anordnung des Geh- und Schlagwerks (Schlagwerk rechts statt links wie bei fast allen typischen deutschen, französischen und englischen Uhren), die Dimensionen und Verarbeitung der Räder und Triebe.
Das leicht schüsselförmige Email-Zifferblatt (D: 25 cm) zeigt schwarze römische Stunden- und arabische Fünfminutenziffern sowie eine Minuterie mit Strichen, bei den Fünfminuten mit Punkten; im Mittelfeld die Uhrmachersignatur. Zwei Aufzugslöcher befinden sich zwischen IIII und V sowie VII und VIII. Die vorhandenen gebläuten, barock durchbrochenen Stunden- und Minutenzeiger sind zwar zeitlich passend, doch nicht original (auch nicht der Zentralsekundenzeiger). Ursprünglich gab es an der Uhr aufwändig gravierte, durchbrochene und vergoldete Messingzeiger.
Der aus La Chaux-de-Fonds stammende Abraham-Louis Huguenin (1733-1804) war von 1765 bis 1769 Direktor der Königlichen Uhrenfabrik in Berlin. Deren Mitarbeiter kamen zu dieser Zeit fast alle aus dem damals zu Brandenburg-Preußen gehörenden Kanton Neuenburg. So verwundert es nicht, dass die Bauart des vorliegenden Werks viele Merkmale der Neuenburger Uhren aufweist. Die Uhr ist das bislang einzig bekannte, von Huguenin signierte Objekt aus seiner Berliner Zeit. (Ian D. Fowler, Franka Görike, Silke Kiesant)

Literatur

  • Kiesant, Silke (2013): Prunkuhren am brandenburgisch-preußischen Hof im 18. Jahrhundert. Mit einem Katalog ausgewählter Uhren Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. von Preußen. Petersberg, S. 318-321, Kat. 24 (dort weitere Literatur und Archivalien) und S. 322-324, Kat. 25
Karte
Hergestellt Hergestellt
1767
Johann Friedrich Spindler
Hergestellt Hergestellt
1767
Abraham-Louis Huguenin
Berlin
Hergestellt Hergestellt
1767
Johann Melchior Kambly
Potsdam
Beauftragt Beauftragt
1767
Friedrich II. von Preußen
Besessen Besessen
1767
Heinrich von Preußen
Potsdam
1766 1769
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Objekt aus: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei...

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