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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Uhren und Musikinstrumente [V 19]
Fischer, Johann Rudolph: Bodenstanduhr, ehemals mit Harfenwerk, 1763/1764, V 19. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Ziebe, Oliver (Berlin, 2020) (CC BY)
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Johann Rudolph Fischer, Bodenstanduhr, ehemals mit Harfenwerk, 1763/1764, Inv. Nr. V 19

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Beschreibung

Als ersten Aufstellungsort für die Uhr bestimmte König Friedrich II. von Preußen das nordöstliche Kabinett im 1754 bis 1757 erbauten Chinesischen Haus im Park Sanssouci. Dessen Inneneinrichtung war erst nach 1763, also nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges, in Angriff genommen worden. Zeitgleich (ab 1763) entstand das Neue Palais in Sanssouci, für dessen Ausstattung Johann Melchior Kambly eine Uhr des gleichen Typs, ebenfalls mit Harfenwerk von Johann Rudolph Fischer (vgl. SPSG, Inv. Nr. V 97), anfertigte. Warum Friedrich II. zwei fast identische Uhren bestellte, ist nicht bekannt. Während sich die Harfenuhr im Neuen Palais harmonisch in das Interieur des Tressenzimmers fügt, muss das Exemplar für das Chinesische Haus wie ein Fremdkörper gewirkt haben. Möglicherweise war ursprünglich ein anderer Aufstellungsort beabsichtigt. Der altmodische Gehäuse-Aufbau nach niederländischen und englischen Vorbildern vom Anfang des 18. Jahrhunderts wirkte als starker Kontrast zu der beschwingten Architektur des exotischen Pavillons und seiner Ausstattung.
Die Standuhr mit querrechteckigem Grundriss gliedert sich in Sockel, Pendelkasten und Kopf. Der Sockel wird durch diagonal gestellte Ecken betont; auf den vorderen beiden befinden sich kürbisartige Früchte auf Akanthusblättern (Rekonstruktion). An der vorderen Tür befindet sich eine runde, verglaste Öffnung, durch die die Pendellinse sichtbar ist, an den Seiten auf gleicher Höhe jeweils ein ebenso rundes, durch vergoldete Gelbgussleisten gerahmtes Feld. Die gesamte Uhr ist mit reicher, feuervergoldeter Gelbgussdekoration verziert: Leisten und Rocaillen rahmen Felder, die mit Gitterwerk, Blumenranken und Einzelblüten (besonders am Kopf), Akanthusblättern und Muschelwerk gefüllt sind. Ungewöhnlich ist die auf dem Kopf stehende Signatur des in Potsdam für Kambly arbeitenden, aus Paris stammenden Vergolders Nicolas Morel auf der vergoldeten Leiste zwischen Sockel und Pendelkasten. Die fast quadratische, oben mit einem Segmentbogen abgeschlossene und verglaste Tür vor dem Zifferblatt besitzt einen fein gravierten Rahmen aus vergoldetem Gelbguss, der durch Blütenzweige an den Ecken und im Scheitel des Bogens dekoriert ist. In der Zone darüber, unter dem aufgebrochenen Giebel, befindet sich ein Muschelmotiv mit seitlichen Rocaillen. Ein flacher, balustradenförmiger Aufsatz, der von einer Tazza („Körbchen“) mit reichem Blumenschmuck bekrönt wird, bildet den oberen Abschluss. Ein kniender und ein sitzender Putto (letzterer ein Nachguss) rechts und links des gesprengten Giebels reichten sich vermutlich eine heute verlorene Blumengirlande.
In den 1860er Jahren gelangte die Uhr im Auftrag von Kronprinz Friedrich Wilhelm und Kronprinzessin Victoria, die ein besonderes Faible für Friedrichs Prunkuhren besaßen, in den Saal der Braunschweigischen Kammern im Berliner Schloss. Wohl aus diesem Anlass wurde das Werk 1864 von dem Potsdamer Uhrmacher Emil Keil (1846-1872), dem Gehilfen des dortigen Königlichen Hofuhrmachers Julius Theodor Brinckmann, restauriert. Schon bald veränderte sich ihr Äußeres grundlegend durch die Anbringung mehrerer, nicht originaler Dekorationselemente: Zwei dreiarmige Leuchter zwischen Pendelkasten und Kopf, ein dritter sitzender Putto zwischen dem gesprengten Giebel, eine Löwenmaske vor dem Pendellinsen-Fenster sowie zahlreiche vergoldete Gelbguss-Ornamente kamen hinzu. Die meisten anderen Zierrate, die sich auch an der Uhr SPSG, Inv. Nr. V 97 finden, sind völlig neu und das Gesamtbild entstellend arrangiert worden: Die beiden ursprünglich auf den gesprengten Giebelhälften lagernden Putten „kletterten“ vertikal rechts und links am Pendelkasten empor, mit ihren Füßen stützten sie sich auf kräftige Akanthusvoluten, die auch an den quergestellten Sockel-Ecken eine Fortführung fanden. Die kürbisartigen Früchte krönten nun die oberen Ecken rechts und links des gesprengten Giebels. Das große Mittelfeld an der Frontseite des Sockels war mit zusätzlichen kleinen Rocaillen und Blumen ausgefüllt.
Im Inventar des Berliner Schlossmuseums ist der um 1921 vorgenommene Rückbau verzeichnet: „Gehäuse aus Schildpatt mit vergoldeten Bronzeverzierungen, mehreren Bronzegittern, die teilweise keine Schildpattunterlagen haben, am Aufbau mit 2 Engeln aus vergoldetem Zink u. einer Blumenvase verziert. An den Seiten befanden sich früher Wandarme mit 3 Lichthaltern. Das aus Porzellan u. Bronze gebildete Zifferblatt ist Fischer à Potsdam, die Goldbronze Morel Doreur bezeichnet. Potsdam, um 1760, Gehäuse v. M. Kambly.“ (Die Angaben, das Zifferblatt sei aus Porzellan und die Putten aus Zink, sind hier falsch.) Die meisten der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts angebrachten zusätzlichen Dekorationen hatte man also zu dieser Zeit wieder entfernt. Sie waren bereits von Paul Seidel 1895 als störend, ja die gesamte Uhr damit als „vollständig verpfuscht“ empfunden worden. Die beiden Putti kamen wieder an ihren alten Platz auf den Giebel, der dritte, nicht zugehörige Putto, die Leuchter, die Löwenfratze und zahlreiche andere füllende Ornamente verschwanden. Hinter dem Giebel ergänzte man dafür den auch bei SPSG, Inv. Nr. V 97 vorhandenen Balustradenaufsatz. Das Ergebnis, wie es sich auf einem historischen Foto des Schreibzimmers der Mecklenburgischen Kammern, wo die Uhr nach 1918 ausgestellt war, bietet, ist ernüchternd: Viele Ornamente, wie die kürbisartigen Früchte, die Akanthusblätter am Sockel und die Girlanden oberhalb der Früchte, sind verloren. In diesem reduzierten Zustand befand sich die Uhr bis 2011 (zuletzt im Depot), wobei in den 1950er Jahren versucht wurde, die vermutlich durch die Kriegsauslagerung noch weiter dezimierte Dekoration durch freie Ergänzungen (große hölzern-vergoldete Voluten an den vorderen Ecken, von Wandbranchen stammende Zierbeschläge) auf einen historisch nicht definierbaren Zustand „zurückzuführen“. Bei der 2011 erfolgten Restaurierung des Uhrgehäuses orientierte man sich an der Schwesteruhr SPSG, Inv. Nr. V 97: Einige verlorene Dekorationen wurden durch Nachgüsse gleicher Motive wiederhergestellt. Applikationen, für die es kein Muster mehr gab, wie die Girlanden oberhalb der großen kürbisartigen Früchte, wurden nicht rekonstruiert. Analog ist mit der Restaurierung des Uhrwerks verfahren worden. 2012 konnte die Uhr nach jahrelanger Deponierung und erfolgter Restaurierung (Gehäuse: Kurt Kallensee & Sohn, Werk: Ian D. Fowler) auf der Ausstellung „Friederisiko“ im Neuen Palais wieder präsentiert werden. (Silke Kiesant)

Beschriftung/Aufschrift

auf dem Zifferblatt: „Fischer a Potsdam“; Rückseite Zifferblattplatte: „Emil Keil Potsdam 19/ 7 [18]64“ und „O. Caesar (…) Uhrmacher Berlin (…) am 27/ 2 [18]82“; auf der vergoldeten Zierleiste zwischen Sockel und Pendelkasten: „Morel Doreur“

Vergleichsobjekte

Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. V 97, Harfenuhr
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Inv. Nr. V 113, Harfenuhr

Material/Technik

Konstruktionsholz: Kiefer (Korpus); Wacholder (Innenfurnier); Schildpatt, furniert; Gelbguss, feuervergoldet; Glas; Werk: Messing, z. T. vergoldet und versilbert; Stahl, z. T. gebläut (Zeiger)

Maße

Höhe: 325.00 cm Breite: 102.00 cm Tiefe: 65.00 cm

Ausführliche Beschreibung

Nach der Auslagerung der Uhr während des Zweiten Weltkriegs hat sich nur das Geh- und Schlagwerk, ein rechteckiges Messing-Vollplatinenwerk (fünf balusterförmige Werkpfeiler mit Verdickung in der Mitte und Ansätzen zu den Platinen) erhalten. Bei diesem Werk war der Antrieb für die Musik ursprünglich zwischen den Platinen untergebracht und hatte kein Glockenspiel für den Viertelstundenschlag wie bei der Schwesteruhr V 97. Damit unterscheidet es sich in der Bauart von dem anderen Werk in V 97, obgleich die Gehäuse fast identisch sind. Auf der rechten Seite der Vorderplatine gibt es noch die schmale Verlängerung für Teile des verlorenen Musikwerks. Der Antrieb erfolgt mit Gewichten (ersetzt) über Darmsaiten und Trommel. Die Gangdauer beträgt acht Tage. Das Werk besitzt ein Stundenschlagwerk mit Rechen und Kadratur auf der Vorderplatine, Schlag auf Silberbronzeglocke (ersetzt), über dem Werk mit horizontal gelagerter Hammerwelle, ferner eine rückführende Ankerhemmung, Sekundenpendel mit Stahlstab und Messinglinse mit Bleifüllung (ersetzt), Federaufhängung. Ursprünglich war das Pendel zwischen Vorderplatine und Zifferblatt aufgehängt.
Das feuervergoldete Messing-Zifferblatt ist auf einer Trägerplatte in der typischen quadratischen Form mit aufgesetztem Arkus befestigt. In den Ecken befinden sich vergoldete Messing-Appliken mit Engelsköpfen, Rocaillen, Gitterwerk und Akanthusblättern. Im Arkus zwischen und über den beiden halbkreisförmigen Anzeigen zur An- bzw. Abstellung von Schlag- und Spielwerk (Schlagen - nicht Schlagen und Spielen - nicht Spielen) befinden sich über jeweils einer Sense spiegelbildlich zwei geflügelte Chronos-Köpfe mit Blättern und Rocaillen. Der versilberte Messing-Ziffernring zeigt gravierte, schwarz ausgefüllte römische Stundenziffern, dazwischen Lilien zur Halbstundenmarkierung, arabische Fünfminutenziffern und eine Minuterie mit gleichstarken Strichen. Die reich ausgebildeten, durchbrochen gearbeiteten Zeiger in der typisch barocken Form sind charakteristisch für den Potsdamer Hofuhrmacher Fischer. Im vergoldeten Mittelfeld mit gehämmerter Struktur befinden sich drei Aufzugslöcher, über dem mittleren gibt es eine viereckige Aussparung für die Datumsanzeige (arabische Zahlen). Die Uhrmacher-Signatur steht auf einer gebogenen versilberten Messingleiste zwischen XI und I.
Ian D. Fowler restaurierte 2010 die seit 1945 nur rudimentär vorhandene Mechanik sowie das Zifferblatt. Dabei wurden die fehlende Datumsanzeige mit Rädern und Datumsring rekonstruiert und die ebenfalls fehlende Schlagabstellung, Pendel, Gewichte, Umlenkrollen und Darmsaiten ergänzt. Der Werkstuhl, auf dem die Mechanik im Uhrenkopf befestigt ist, wurde 2012 angefertigt, da die originale Auflage verloren war. Vom ursprünglichen Harfenwerk ist außer der Gewichtstrommel nichts mehr vorhanden.
Aus konservatorischen Gründen erfolgt die Aufstellung der Uhr derzeit nicht mehr am originalen Standort: Die stark schwankenden klimatischen Bedingungen im Chinesischen Haus würden besonders das kostbare Schildpattfurnier und die Mechanik schädigen. Dies war schon Ende des 18. Jahrhunderts der Fall, wie aus der Erwähnung von Reparaturen 1781 und 1798 hervorgeht. Das Harfenwerk muss schon so schadhaft gewesen sein, dass der Potsdamer Uhrmacher Franz Joseph Clar (1752-1817) 1798 in einem Reparaturanschlag anbot, ein neues Flötenwerk für 160 Taler einzubauen. Man verzichtete aber offenbar darauf, denn in den nachfolgenden Inventaren ist weiterhin nur von einer Harfenuhr die Rede. (Ian D. Fowler, Silke Kiesant)

Literatur

  • Graf, Henriette (2010): Die friderizianischen Schildpattmöbel. Vorbild, Transponierung und Innovation eines Möbeltyps am Hof Friedrichs des Großen. In: Kaiser, Michael; Luh, Jürgen (Hrsg.): Friedrich der Große. Politik und Kulturtransfer im europäischen Kontext (= Friedrich 300 – Colloquien 4)
  • Kiesant, Silke (2013): Prunkuhren am brandenburgisch-preußischen Hof im 18. Jahrhundert. Mit einem Katalog ausgewählter Uhren Friedrichs II. und Friedrich Wilhelms II. von Preußen. Petersberg, S. 314-317, Kat. 23 (dort weitere Literatur und Archivalien)
Karte
Hergestellt Hergestellt
1763
Johann Rudolph Fischer
Potsdam
Hergestellt Hergestellt
1763
Johann Melchior Kambly
Hergestellt Hergestellt
1763
Morel, Nicolas
Besessen Besessen
1763
Friedrich II. von Preußen
Besessen Besessen
1864
Friedrich III. (Kaiser, 1888)
Berlin
Besessen Besessen
1864
Victoria von Großbritannien und Irland
Berlin
Restauriert Restauriert
1864
Keil, Emil
Potsdam
Restauriert Restauriert
2010
Fowler, Ian D.
Restauriert Restauriert
2011
Kurt Kallensee & Sohn
Potsdam
1762 2013
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Objekt aus: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

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