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Stiftung Schloß Friedenstein Gotha: Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde Uhren, Musikinstrumente [4402]
Glasharmonika (Stiftung Schloß Friedenstein Gotha CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stiftung Schloß Friedenstein Gotha / Lutz Ebhardt (CC BY-NC-SA)
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Glasharmonika

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Beschreibung

In der 1796 in Gotha erschienenen Beschreibung »Gotha und die umliegende Gegend« erwähnte Albert Klebe eine Glasharmonika: »Herr Secretair Wenk in Brüheim, einem zwey Stunden von Gotha entlegenen Dorfe, verfertigt Harmonikas, welche sowohl in Ansehung des Tones, als auch in der Bauart des Gehäuses, alle bis jetzt bekannte Instrumente dieser Art übertreffen. Der Kasten oder das Gehäuse ist von Mahagonyholz mit antikem Gestelle und hat die Gestalt eines kleinen Fortepiano. Die Glaskugel besteht aus 46 Schaalen, welche im Tonsprengel vom eingestrichenen c bis zum dreygestrichenen a gehen. Das Schwungrad durch welches der Kegel in Bewegung gesetzt wird, ist innwendig im Kasten verdeckt und läuft horizontal. Besonders ist die Harmonika durch eine eigne Erfindung des Hrn. Wenk zur höchsten Vollkommenheit gebracht worden, indem er ein zweytes Instrument, ein Pedal mit derselben vereinigt […] Dies Instrument bildet ein längliches Viereck, wird auf den Fußboden gelegt und die Harmonika oben darauf gestellt. Es hat einen Resonanzboden und ist mit übersponnenen Drathsaiten bezogen, die durch Hämmer von weichem Leder, wie auf dem Fortepiano angeschlagen werden. Zur linken Hand ist die Claviatur oder die Tasten, so wie das Pedal einer Orgel, mit welchen die Hämmer in Verbindung stehen, und mit dem linken Fuße mit der Harmonika zugleich gespielt werden. Die Töne des Pedals sind so sanft, daß sie sich mit den schmelzenden Tönen der Harmonika auf das angenehmste vereinigen. Eine genaue Abbildung der Harmonika mit Pedal findet man im Journal für Fabriken und Manufacturen, Leipzig bei Voß und Compag. 1796. Der Preis einer Harmonika ohne Pedal ist 400 Thaler, den Ld’or zu 5 Rthl., mit Pedal von Mahagonyholz 550 Rthl. Mit Pedal von gebeiztem Holze 500 Rthl. Eben dieser Künstler verfertigt auch Fortepianos von vorzüglicher Güte.« Unser Instrument hat 44 Glasschalen im Umfang c bis g3, ist also um zwei Töne kleiner als das beschriebene. Die Schalen bestehen aus hellgrünem Glas, wobei die Halbtöne (die den schwarzen »Obertasten« des Klaviers entsprechen) durch Randvergoldung gekennzeichnet sind. Bandintarsien im englischen Stil zieren das Mahagoniholz von Gestell und Gehäuse. Im Vergleich zu den sonst bekannt gewordenen Typen der Glasharmonika weist dieses Modell ein liegendes Schwungrad auf (was den Antrieb allerdings etwas komplizierter macht). Mit dessen Hilfe wird die horizontal liegende Achse mit den aufgesteckten, chromatisch angeordneten Glasschalen in Rotation versetzt. Die sich drehenden Glasschalen können nun mit wasserbefeuchteten Fingerspitzen angestrichen und so zum Schwingen gebracht werden. Ein gleichartiges Instrument ist im Musikinstrumenten-Museum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin erhalten. Die Erfindung der Glasharmonika, »armonica« genannt, wird Benjamin Franklin für das Jahr 1762 zugeschrieben. Um 1757 begegnete er in London den »musical glasses«, Glasspielen mit von wasserbenetzten Fingerspitzen angestrichenen, unterschiedlich großen Glasschalen. Deren Vorbild war die »angelick organ« mit Trinkgläsern des Iren Richard Puckeridge. Der Komponist Christoph Willibald Gluck z.B. konzertierte 1746 auf solchen Instrumenten in London. Franklin mechanisierte um 1762 das Instrument zur leichteren Spielbarkeit, indem er die Glasschalen vertikal auf eine drehbare Achse montierte. Die Londoner Virtuosin Marianne Davies konzertierte mit diesem Instrument ab 1765 auf dem europäischen Kontinent und machte es dort bekannt. Von Johann Adolf Hasse (1699-1783) ist die früheste »kontinentale « Komposition für Glasharmonika überliefert; andere Komponisten - Naumann, Schulz, Reichardt, Mozart, Beethoven - folgten. Wolfgang Amadeus Mozart schrieb 1791 für die blinde Virtuosin Marianne Kirchgeßner ein Adagio für Glasharmonika solo sowie ein Quintett mit Flöte, Oboe, Bratsche und Violoncello. Die Glasharmonika als ein beliebtes Instrument im Zeitalter der Empfindsamkeit fand ein Echo auch in der Literatur - so z.B. bei Goethe, Schiller und Jean Paul. Später, um 1830, wurde die Glasharmonika wegen ihres durchdringenden sphärischen Klanges als nervenschädigend für die Spieler und Zuhörer empfunden und kaum mehr gespielt. Nur Gaetano Donizetti verwendete das Instrument dann noch in seiner Oper »Lucia di Lammermoor« (1835) - für die Arie der wahnsinnig gewordenen Titelheldin. [Wolfgang Wenke]
weitere Literatur:Wolfgang Wenke: Exponat des Jahres. Glasharmonika, in: Gothaisches Museums-Jahrbuch 2006, Weimar 2005

Material/Technik

Mahagoni, Glas

Maße

89 x 120,5 x 42,5 cm

Literatur

  • Bellstedt, Ronald [u. a.] (2007): Museen der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha: Führer. München
Stiftung Schloß Friedenstein Gotha: Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde

Objekt aus: Stiftung Schloß Friedenstein Gotha: Museum für Regionalgeschichte und Volkskunde

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