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ChemieFreunde Erkner Phenolharze (Gegenstände aus Bakelit) [cme.2012.0123700]
Volksempfänger "VE 301" (ChemieFreunde Erkner CC BY-SA)
Herkunft/Rechte: ChemieFreunde Erkner (CC BY-SA)
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Volksempfänger "VE 301"

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Beschreibung

Der Volksempfänger ist ein gutes Beispiel dafür, wie der damals neue Kunststoff Bakelit die industrielle Entwicklung vorangetrieben hat. Mit einem Gehäuse aus Holz waren die Radioempfangsgeräte teuer und konnten nur in kleiner Stückzahl produziert werden.
Bereits in den 20er Jahren wurden für Radioempfangsgeräte in der Massenfertigung Gehäuse aus Bakelit gefertigt (AEG, Brandt, D.S.Loewe, u.a.). 1929/30 gab es erste Forderungen nach einem billigen Massenempfänger durch die Arbeiterbewegung. Gerätebauanleitungen gab es alternativ schon in der Zeitschrift „Arbeiterfunk“ (Radio-Ford., Vorbild waren US-Erzeugnisse). Auch die erstarkende NS-Bewegung erkannte den Wert dieser Entwicklung für ihre Propaganda.
Bereits vor 1933 befasst sich die deutsche Radioindustrie mit der Möglichkeit, einen gemeinsamen Billigempfänger zu produzieren. Entsprechende Entwürfe, Muster, Markenzeichen(Adlerkopf), stammen aus der Zeit 1928 und 1932. Erst Goebbels setzte durch, dass der erste „Volksempfänger“ geschaffen wurde, um den Rundfunkerfassungsgrad der niederen sozialen Schichten, besonders der Arbeiterschaft, zu erhöhen.
Produktionsbeginn des VE 301 war mit einer Auflage von 100.000 Stück der 25. Mai 1933. Ab August 1933 kam unter riesigem Propagandaaufwand zunächst der VE 301 W auf den Markt. „VE“ steht für Volksempfänger, „301“ für die Machtergreifung der Nazis am 30.1.1933. Weitere Entwicklungen waren VE 301G, VE 301 GW, VE 301 B bzw. B2. Äußerlich unterschieden sich die Weiterentwicklungen nur dadurch, dass später das Emblem des Adlers durch ein Hakenkreuz ersetzt wurde. Beteiligt an der Gemeinschaftsproduktion waren 28 Radiofabriken und 59 Zulieferbetriebe. Es sollen bei der Produktion 75% im Kunststoffgehäuse als Wechselstromgerät, 20% als Gleichstromgerät und 5% als Batteriegerät im Holzgehäuse gefertigt worden sein.
Im November 1933 gab es schon die fünfte 100.000 Stück Auflage, bis 1939 sind 3,5 Mio VE hergestellt worden.
Der schaltungstechnische Entwurf von Otto Grießing, Dr. Seibt AG Berlin, erhält den Zuschlag zur Produktion des Volksempfängers. Gehäusegestaltung und Markenzeichen folgen einem Entwurf (1928) von Walter Maria Kersting (1889-1970).
Telefunken und Blaupunkt, auch Mitbewerber, gingen leer aus. Die Schaltung des Radios entsprach nicht der Höhe der Zeit. Sie enthielt einen 3-Röhren-Einkreisempfänger für den sicheren Empfang der jeweiligen Orts- und Bezirkssender auf der Mittel- und Langwelle. Die Bauteilindustrie bot legal diverses Zubehör an, mit dem man einen Volksempfänger für den Fern- und Kurzwellenempfang, als Zweikreiser, für Schallplattenwiedergabe u.v.m. nachrüsten konnte. 1937 gab es eine überarbeitete Schaltung unter der Bezeichnung VE 301 Wn. Erst 1938 gab es eine verbesserte Konzeption: VE 301 Dyn W bzw. GW. Mit rechteckigem Lautsprecherausschnitt nach einem Entwurf von Ernst Schneckenberg. Ab 1938 wurden auch die Typen DKE 38 mit speziellem Röhrensatz und DKE 38 B, bekannt als „Goebbelsschnauze“ produziert. Spezielle Gemeinschaftsempfänger waren der „Deutsche Olympiakoffer“ DO 36 und DO37 sowie der „Deutsche Arbeitsfrontempfänger“ DAF 2011 mit „Arbeitsfrontlautsprecher“ AFL354. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Kunststoffgeschichte e.V. Dr. Günter Lattermann schreibt dazu:
Wie aus seinen Nachlaß-Unterlagen hervorgeht, hatte Kersting 1932 verschiedene Radiomodelle aus Phenoplast für die AEG entworfen. Als die deutsche Elektroindustrie 1933 für den Bau des Volksempfängers zusammengetrommelt wurde, um verschiedene Entwürfe für die preiswerteste Technik und das ansprechendste Design vorzulegen, reichte neben anderen –laut Aussage seiner Söhne- auch Walter Maria Kersting Pläne für die Gehäusegestaltung ein. Kerstings Entwurf stimmte in den Hauptmerkmalen mit dem bekannten Erscheinungsbild des ersten Volksempfängers Typ VE 301 W überein – kubusförmiges schwarzes Gehäuse, kreisförmige Lautsprecheröffnung, Bogenportal mit oben eingelassener Skalenscheibe und drei darunterliegenden Knöpfen -, unterschied sich jedoch in bestimmten Details davon. So fehlte im Kersting-Entwurf zum Beispiel die Rundwulst an den Gehäuserändern. Weiterhin war der Lautsprecherrand nicht glatt, sondern nach innen konisch geriffelt. Die Knöpfe im Entwurf waren weiß und das Emblem des „rufenden Adlers“, einem allgemeinen Symbol des Rundfunks, im Rundportal an der Vorderfront schräggestellt. Dieses Emblem stammt wohl nicht von Kersting selbst, auf Plakaten mit dem Adlerkopf und den kreisförmigen Radiowellen findet sich nämlich gelegentlich der Namenszug „Riemer“.
Der Gehäuseentwurf von Kersting wurde in die Produktion übernommen – in verschiedenen Firmen formten hydraulische Pressen aus 1500 g Phenoplast-Preßpulver 6 bis 8 Gehäuse pro Stunde. Allerdings wurde der Entwurf in den genannten Details eigenmächtig abgeändert, von wem ist bislang nicht bekannt. Kerstings Sohn Arno berichtet, der Vater sei mit dem seiner Meinung nach den Entwurf verschlechternden Änderungen nicht einverstanden gewesen und habe sich so sehr darüber geärgert, daß er keine Verantwortung dafür übernehmen wollte. Dies und Kerstings verbriefte Abneigung gegenüber den Nazis führten dann dazu, daß er an der endgültigen Gestaltung nicht mehr beteiligt war. Auch für den gewünschten Propagandarummel schien Kersting nicht geeignet. Auf jeden Fall wurde er in den großen Aktionen, mit denen der Volksempfänger eingeführt wurde, als Gestalter des für die Verbraucherakzeptanz so wichtigen Gehäuses nie genannt. Vielmehr nahm man dafür den strammen Parteigenossen und SA-Mann Oberingenieur Otto Grießing in Anspruch. Grießing wurde immer als alleiniger „Vater des Volksempfängers“, das heißt als Konstrukteur der gesamten Technik, herausgestellt, obwohl auf radiotechnischem Gebiet von anderen schon viel Vorarbeit geleistet worden war.
1 Winfried Müller, Vortrag: „Volksempfänger“, gehalten am 23.02.2006 zum Baekeland-Tag in Erkner
2 Dr. Günter Lattermann, Artikel: „Der Volksempfänger“ in: Buchholz,Kai (Hrsg) Im Designerpark, Darmstadt, Institut Mathildenhöhe, 2004, S. 940-941
3 wie 1.
4 wie 2

Material/Technik

Gehäuse aus Bakelit

Hergestellt Hergestellt
1933
Form entworfen Form entworfen
1928
Walter Maria Kersting
1927 1935
ChemieFreunde Erkner

Objekt aus: ChemieFreunde Erkner

BAKELIT, der erste vollsynthetische Kunststoff, erblickte vor mehr als 100 Jahren bei New York das Licht der Welt. Aber hier in Erkner wurde er ab...

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