Die Figur des Schildknappen stammt vom östlichen Prachtfenster des Ulmer Rathauses und ist zwischen 1427 und 1433 entstanden. Der dortige Figurenzyklus stellt eine Huldigung der Stadt Ulm an den deutsch-römischen König und amtierenden Kaiser Sigismund von Luxemburg dar. 1905 wurden alle Figuren durch Kopien ersetzt und sind seitdem im Ulmer Museum zu besichtigen. Der Zyklus ist der erste große Auftrag, den Hans Multscher in Ulm erhielt. Wahrscheinlich war das anspruchsvolle Programm der Anlass für seine Aufnahme in die Stadt. Die technische Perfektion des Bildhauers, kombiniert mit einem überragenden künstlerischen Vermögen, schien der Aufgabe allein gemessen. Während die Könige von Ungarn und Böhmen sowie die Statue Karls des Großen von würdevoller Strenge und eher typenhafter Charakterisierung sind, wurden die beiden zwischen ihnen platzierten Schildknappen viel lebendiger und individueller gestaltet. Im Grad der Psychologisierung und Lebensnähe damals ein Novum. In seiner unbekümmerten Natürlichkeit und Ungezwungenheit sowie der Lebendigkeit im Ausdruck verkörpert unser Schildknappe einen künstlerischen Ausdruckswillen, der bisher in der deutschen Kunst unbekannt war. Die leichte Schrägstellung des Schildes und die voreinander gestellten Füße des Knappen geben der Figur Volumen und Bewegung und eine - bisher nicht gekannte - Aktivität. Besonders beeindruckend ist der Kopf, sein schalkhaftes Lächeln, die Fältchen um Mund und Augen und die Unbekümmertheit seines "Daseins".
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